Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 174 176

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Die Kirche, von der diese Pilaster genommen sind, war im 6. Jahrhundert erbaut und die Pilaster jedenfalls gleichzeitig damit; sie sind quadratisch im Grundriss, ziemlich bedeutend verjüngt, und haben im Ganzen ungefähr 51/4 untern Durchmesser zur Höhe; der untere Theil auf 2 Durchmesser Höhe, war ganz glatt und jedenfalls erst im 13. Jahrhundert wurden in diesen Theil lateinische Kreuze, auf Scheiben stehend, eingearbeitet, der obere Theil des Schafts auf 21/4 Durchmesser Höhe, ist mit Ornamenten verziert: Weinranken, Vasen mit Weinblättern und Trauben Blumen und Granatäpfel in der Weise ausgearbeitet, wie wir dies bei den in dem ersten Abschnitt betrachteten Arbeiten in Torcello etc. gesehen haben, die Capitäle enthalten dürftige Acanthusranken in steifer, fast geschmackloser Anordnung mit halbumgeschlagenen Eckblättern, das Halsglied stehende Blätter und darunter einen griechischen Stab. Den Abakus bildet ein steifer Carniess mit einem flachen Zahnschnitt darüber, kurz aus Allem geht hervor, dass in jener Zeit die Kunst in Asien trotz der trefflichen griechischen Vorbilder eben nicht höher stand, als in Europa, und dass diese griechischen Vorbilder eben nur dazu dienten, die Künstler vor gänzlichem Vergessen der Technik zu hüten, die auch an diesen Pilastern nicht ganz schlecht ist. Das Merkwürdigste an diesen Säulen sind jedenfalls ein paar Monogramme, ähnlich wie man sie an den Capitälen Ravenna's, sowie auch an einzelnen Capitälen von San Marco findet. Ueber die Bedeutung dieser Monogramme haben sich die Archäologen den Kopf schon sehr zerbrochen und haben dieselben in allen Sprachen deuten wollen; der eine hat ein Deo optimo maximo heraus gelesen, der andere ein Theodoricus magnus, ein dritter den Nilschlüssel darin gesehen, ein anderer den Baphomet etc. Unsers Erachtens müsste man annehmen, dass die Buchstaben, aus welchen sie zusammengesetzt sind, bei Entzifferung zu griechischen Worten zusammenzustellen seien, wo diese Worte sich dann jedenfalls als Gebet oder als Lobpreisung Christi herausstellen müssten, denn so sind ja auch die ravennatischen zu entziffern.
1268 wurde Reniero Zeno in S. Giovanni e Paolo begraben; sein Grab bietet nichts Interessantes.
Kurz vorher (s. S. 122 u. 23) waren zwar die Scuole de la Carità und S. Giovanni Evangelista gegründet worden, ihre Baulichkeiten aber gehören dem 14. Jahrhundert an.
Die 1272 restaurirte Kirche S. Biaggio e Cataldo ist ebenfalls bei weitem später durch einen Neubau ersetzt worden.
Wir sind nun an einem wichtigen Wendepunkt für die Kunst Venedigs angelangt, dessen Ursache S. 123 u. 24 angegeben wird. Die dadurch herbeigeführte Selbstständigkeit der venetianischen Kunst-

 

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