Santi Giovanni e Paolo

 


Antonio Visentini: Campo Santi Giovanni e Paolo, 1742

Antonio Visentini: Campo Santi Giovanni e Paolo, 1742

Beschreibung

Die Dominikanerkirche Santi Giovanni e Paolo eine von zwei erhaltenen großen gotischen Bettelordenskirchen in Venedig. Dominikaner wie Franziskaner siedelten sich im 13. Jahrhundert in Venedig bei und importierten bei ihren Kirchen Formengut des Festlandes. Angeblich ist die an das nördliche Querhaus angrenzende Cappella del Rosario der Ort, an dem das Kloster gegründet wurde. Wie im Falle der Frari-Kirche befand sich der Bauplatz der ersten Dominikanerkirche am damaligen Stadtrand. 1245 schenkte der Doge Jacopo Tiepolo, welcher auch in einem der Sarkophage neben dem ab 1458 errichteten Portal des Bartolomeo Buon begraben ist, den Dominikanern ein Stück Land. Für 1246 ist eine Baustelle nachgewiesen. Diese erste Zanipolo-Kirche war 1258 im Bau schon weit fortgeschritten; der Doge Ranieri Zeno hatte testamentarisch 1000 Lire für Portal, Campanile und Ausschmückung hinterlassen.


Zanipolo vom Campanile di San Marco aus gesehen.
Aufgrund des großen Zulaufs an Gläubigen wurde diese Kirche bald zu klein. Der Neubau der Säulenbasilika wurde wohl 1333 begonnen. Dellwing zufolge wurde die Kirche, entgegen anderer Meinungen in der Forschung, nicht von Westen nach Osten gebaut; vielmehr wurde sowohl Chor wie Langhaus gleichzeitig begonnen, wie auch die präzisen Maße des Grundrisses nahelegen. Die Baustelle des Langhauses blieb allerdings auf halber Höhe liegen, Chor und Querschiff wurden weitergebaut und vollendet. Die Apsis war vor 1368 fertiggestellt, da in diesem Jahr das älteste der zahlreichen Grabmonumente (jenes von Marco Giustinian in der Cappella di Santa Maddalena rechts des Presbyteriums) entstand. Durch eine Spende der Prokuratoren von San Marco Pietro Corner und Michele Steno in Höhe von zehntausend Dukaten konnte der Bau beschleunigt fortgesetzt werden und war 1395 pro media parte inferiori constructam, wie eine Quelle belegt. 1417 war das Mittelschiff gewölbt. Erst 1430 wurde die Kirche geweiht. Die 1683 abgerissene Chorschranke mit Chorgestühl, die man sich wohl ähnlich wie jene der Frari-Kirche vorzustellen hat, stammte aus dem dritten Jahrzehnt des 15. Jh. Für die Schauseite der Kirche war, so Dellwing, ursprünglich vielleicht eine Tafelfassade wie bei San Agostino in Padua vorgesehen; dieser Plan wurde aber bald aufgegeben. Die nach der Errichtung des Portals von Bartolomeo Buon (s.o.) liegengebliebene Fassade wurde nie wieder aufgenommen.
Alle Gewölbe mit Ausnahme jener in den Querhauskapellen bestehen aus Holz. Die Raumproportionen des 35m hohen fünfjochigen Mittelschiffs sind steiler als jene von Santa Maria Gloriosa dei Frari, auch hat Zanipolo eine Vierungskuppel, die im späten Quattrocento entstand und nicht zum ursprünglichen Konzept gehört. Der südliche Querhausarm besitzt ein großes mehrbahniges Maßwerkfenster des Quattrocento, das in Hinblick auf seine Größe einzigartig in Venedig ist. Die hohen, zweibahnigen und von Stegen unterteilten Maßwerkfenster des Chors stammen aus den Jahren 1471 (unten) und 1510 (oben).
Zwei Kapellen der Kirche treten nach Süden in den Campo Santi Giovanni e Paolo: Die Kapelle des Hl. Dominikus und die Kapelle der Schmerzhaften Muttergottes.
Die oben abgebildete Ansicht von Visentini (um 1742) zeigt Santi Giovanni e Paolo mit späteren Veränderungen, besonders an der Fassade und am südlichen Seitenschiff sowie dürftige Reparaturen am Giebel des letzteren. Wie die Stadtansicht Venedigs um 1500 zeigt, besaß das südliche Seitenschiff lediglich Okuli, darunter Wandpfeiler. Diese wurden später durch Thermenfenster ersetzt. Santi Giovanni e Paolo war im 19. und frühen 20. Jahrhundert Gegenstand mehrerer Restaurierungen. Wie Donin berichtet, wurden bei einer umfassenden Restaurierung durch die österreichische Denkmalpflege die Vierungskuppel und das Dach behandelt. Die seit 1813 fehlende farbige Verglasung wurde nicht wiederhergestellt. Im 19. Jh. wurde Santi Giovanni e Paolo wieder re-gotisiert und diverse später eingebrochene Thermenfenster wieder durch Spitzbogenfenster ersetzt. Die ab 1575 errichtete Rosenkranzkapelle (Cappella del Rosario) wurde am 15. August 1867 durch einen Brand vernichtet und erst 1912 wieder aufgebaut.

Kunstwerke

Ab dem 15. Jahrhundert wurden alle Trauerfeiern für Dogen in Santi Giovanni e Paolo abgehalten. Die Kirche wurde zur bevorzugten Grablege der Dogen, so daß im Seitenschiff die Entwicklung des venezianischen Wandgrabmals anhand zahlreicher Beispiele vom 14. bis zum 18. Jh. beobachtet werden kann. Die Spanne reicht vom baldachinbekrönten gotischen Grab des Michele Morosini († 1382) bis zum barocken Monument für Silvestro Valier († 1700). Berühmt ist die Kritik Ruskins am, so Ruskin, von utter coldness of feeling geprägten Grabmal des Andrea Vendramin († 1478), welches er mit jenem des Dogen Tomaso Mocenigo (ein noble image of a king's mortality) verglich. Die Skulptur Vendramins, unanimously declared the chef d'oeuvre of Renaissance sepulchral work, ist nur auf der Vorderseite bearbeitet. Aus der vernichteten Kirche Santa Marina, die ebenfalls mehrere Dogengräber enthielt, wurde jenes von Nicolò Marcello nach San Zanipolo transferiert; vom Grab des Michele Steno hat sich nur die Skulptur des Dogen erhalten. 1574 baute Giovanni Girolamo Grapiglia die Innenseite der Fassade um, wobei sich die Anordnung einiger Grabmale, darunter jenes von Tullio Lombardo für Alvise Mocenigo, änderte.
Unter der malerischen Ausstattung der Kirche ist ein um 1464-68 von Giovanni Bellini geschaffenes Polyptychon mit den Hl. Vinzenz Ferrer, Christophorus und Sebastian hervorzuheben sowie die Almosen des Hl. Antonius von Lorenzo Lotto (1542). Ein barocker Hauptaltar wurde bereits 1619 geplant, jedoch erst 1656-1666 durch Baldassare Longhena errichtet 1. Longhenas von zehn Säulen getragener Altar hat die Form eines Triumphbogens, welcher den Tabernakel einrahmt, und orientiert sich an Entwürfen von Andrea Pozzo. Die barocke Kapelle San Domenico wurde 1690 begonnen und ersetzt eine ältere des 14. Jahrhunderts. Die gesamte westliche Wand der Kapelle wird von einem dreiteiligen Bronzerelief mit Szenen aus dem Leben des Heiligen eingenommen, welches Giuseppe Mazza 1719 schuf. Die wenig später entstandene malerische Ausstattung der Kapelle - eine Gloria des Hl. Dominikus und vier Tugenden in Kartuschen - stammt von Giambattista Piazzetta.

Anmerkungen

1 Frank (2004), p. 310ss

Literatur

Donin, Richard Kurt: Österreichische Denkmalpflege in Venedig 1815-1866: aus einem im Verein für Denkmalpflege gehaltenen Vortrage, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Vergleichende Kunstforschung in Wien, 7.1954
Merotto Ghedini, Monica: Santi Giovanni e Paolo, in: L'architettura gotica veneziana, Venezia 2000, pp. 115-122
Dellwing, Herbert: Studien zur Baukunst der Bettelorden im Veneto. Die Gotik der monumentalen Gewölbebasiliken, München Berlin 1970, pp. 98-113

 

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