Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 175 177

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richtung konnte sich natürlich nicht sofort aussprechen, aber sie wird, im Anfang wenig, später mehr und mehr sichtbar.
Das Grabmal Jacomo Contarinis im Kreuzgang der Kirche S. Maria aï Frari in der der Kirche zugewendeten Seite zeigt noch nichts besonders Bemerkenswerthes, sondern ist nur erwähnenswerth als Beweis, dass damals schon der Kirchenbau ziemlich vollendet gewesen sein muss, denn während des Baues mussten an dieser Stelle jedenfalls Gerüste stehen, so dass ein Begräbniss nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht der Bau schon bis zur Wegnahme der Gerüste gediehen war.
Dasselbe geht für die Kirche S. Giovanni e Paolo aus dem Umstand hervor, dass Giovanni Dandolo 1289 daselbst begraben wurde und zwar in einem Epitaphium, welches im Allgemeinen die Form hat, wie wir sie bald an mehrern finden werden, aber immer noch für den niedrigen Standpunkt der plastischen Künste in Venedig um das Jahr 1300 Zeugniss ablegt, obgleich die lobende Inschrift in lateinischen Versen zeigt, dass die Venetianer auch damals trotz des vielfachen Unglücks durchaus nichts an ihrem Stolze verloren hatten. Von dem 1280 begonnenen Bau von S. Geremia ist fast nichts in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten als die Aussenseite einer Seitenapsis und der Untertheil des Campanile, welcher die stereotype Gestaltung hat, zwei Felder mit Eck- und Mittellisenen, welche oben durch überhöhte Rundbogen verbunden sind. Der Pavillon ist neuer.
Um das Jahr 1291 scheint man mit der Aufführung der Mauern von Baptisterium und Tesoro so weit vorgeschritten gewesen zu sein, dass man zur Decoration derselben schreiten konnte ; an dieser Decoration haben wir wiederum ein Zeugniss für die pecuniäre und künstlerische Armseligkeit jener Zeit. Die Mauern sind ganz einfach mit Marmorplatten belegt und mit einigen Gurtsimsen durchzogen. Es scheint zwar, als hätte man beim Anfang dieser Decoration dieselbe reicher beabsichtigt, denn ein stufenartig weit ausladender Sockel läuft an der Südseite hin; zu demselben sind aber alte, wie es scheint aus dem 4. oder 5. Jahrhundert stammende Ornamentplatten verwendet; diese, waren wahrscheinlich alle, als man bis an die südwestliche Ecke des Tesoro gelangt war, man fühlte sich aber ausser Stand sie nachzuahmen und führte den Sockel lieber gar nicht weiter; auf demselben stehen an der Ecke zwei Porphyrplatten mit je zwei Kriegergestalten im Relief, über deren Abstammung, Alter und Deutung sich die Archäologen wacker herumgestritten haben; diese Streitigkeiten aber hier anzuführen oder fortzusetzen halten wir nicht für zweckmässig, da die Figuren selbst gar nicht viel künstlerischen Werth haben, auch jedenfalls auf die Kunst Venedigs ohne allen Einfluss geblieben sind.

 

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