Ridotti und Casini sind eine venezianische Eigenart. Ridotti sind kleine Appartements, die in der Regel luxuriös eingerichtet waren und zur Unterhaltung in vielfältiger Form dienten. Es handelt sich gleichzeitig um eine Ergänzung als auch ein Gegenstück zum Palast. Der bisweilen synoym gebrauchte Begriff des casinò meint etymologisch zwar unmißverständlich einen Ort des Spiels, es handelte sich aber auch um intime Orte zur Ausübung der Konversation im kleinen Kreise, der politschen Diskussion oder geschäftlichen Treffen. Die piani nobili der Paläste hingegen dienten der Repräsentation. Casini konnten sich allerdings auch im Palast selbst befinden: so ist im Palazzo Sagredo das Casinò im abschließenden Mezzanin untergebracht. Ein Großteil der Casini befand sich in Gebäuden im Bereich rund um den Markusplatz und in der Regel in Bauten der venezia minore
, jener unscheinbaren Architektur ohne besonderen baukünstlerischen Anspruch. In der contrada
von San Moisè
zählte man im Jahr 1755 allein 73 casini, darunter auch den bekannten und noch erhaltenen Ridotto Pubblico. Dieser basiert auf einem Palast der Familie Dandolo und ist in seinem alten Zustand auf mehreren Gemälden von Francesco Guardi (1712-1793) abgebildet. 1768 wurde der Ridotto durch Benedetto Maccaruzzi massiv umgebaut. Wie die palazzi erlitten auch die ridotti, besonders was die Innenausstattungen betrifft, schwere Verluste im 19. Jahrhundert (abgerissen wurde z.B. das Casin des Palazzo Gradenigo), doch sind einige prominente Beispiele überkommen.
Neben dem Casinò der Giustina Renier Michiel (San Marco 2426) mit freskierten Allegorien von Giovanni Scajario (einem Imitator von Tiepolo) ist vor allem das Casinò Venier (San Marco 4939) zu nennen, dessen wandfeste Innendekoration in polychromem Stuck sowie Delfter Kacheln aus den Jahren 1750 bis 1760 nahezu vollständig erhalten ist. Das Mobiliar fehlt allerdings, so daß der Eindruck unvollständig ist. Heute ist es Sitz der Alliance française und öffentlich zugänglich. Eines der frühesten noch existierenden Casini ist das um 1600 entstandene Casinò Mocenigo auf Murano, das kürzlich gut restauriert wurde. Auch auf der Giudecca hat eines dieser Gebäude überlebt: der Ridotto Sagredo Barbarigo mit dem angrenzenden Giardino Eden (benannt nach einem vormaligen englischen Eigentümer gleichen Namens).
Casinò Venier, Decke und Wanddekorationen eines seitlichen Raumes. Aufnahme 2000
Eine verwandte Bauaufgabe war die Bibliothek, die im Laufe des 16. und besonders im 17. Jahrhundert an Bedeutung gewann. In der Nähe der Carmini-Kirche finden sich zwei prominente Beispiele von Bibliotheken, die nicht im piano nobile eines Palasts (dem üblichen Repräsentationskontext), sondern in eigenständigen Gebäuden untergebracht sind: das von Tommaso Temanza (1705-1789) entworfene trockene, neopalladianische Casin der Ca' Zenobio und die Bibliothek des Palazzo Foscarini, ein kleines Gebäude mit rustizierten Säulen, das die im Ottocento verstreute Bibliothek des Marco Foscarini (1695-1763), dem Dogen und Verfasser einer bis heute aktuellen Literaturgeschichte der Stadt Venedig, beherbergte. Wie das Casinò des Palazzo Zenobio begrenzt auch die Biblioteca Foscarini die Gartenanlage des Palastes, ist aber heute vom Garten abgetrennt. Eine ähnliche Situation, durch die Überbauung des Hofes und der vollständigen Abtrennung des Casin heute gänzlich unlesbar, fand sich auch im Falle des Palazzo Zane. Von der Plünderung des Palasts blieb das von Antonio Gaspari entworfene und heute in Privatbesitz befindliche Casinò verschont.
Wie auch die villeggiatura ist das Casinò ein für das Verständnis des venezianischen Palastes unabdingbares Element, will man sich nicht nur auf das Betrachten von schematisierten Grundrissen und Fassaden beschränken.