Das älteste Beispiel einer vorgotischen Basilika in der Lagune von Venedig ist auf der Insel Torcello erhalten. Santa Maria Assunta wurde im 7. Jh gegründet, als Torcello noch Bischofssitz war. Die heute bestehende, flachgedeckte Säulenbasilika stammt aus dem 9. und 11. Jh. und zeigt einen dreischiffigen Grundriß mit drei Apsiden und basilikalem Querschnitt. Ein Mosaik mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts ziert die Innenseite der Westfront; wohingegen die Kirchenschiffe backsteinsichtig auf uns gekommen sind. Die kleinen Rundbogenfenster des Obergadens konnten vermittels steinerner Läden geschlossen werden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich Santa Fosca (11. Jh.), ein überkuppelter, über der Form eines griechischen Kreuzes errichteter Zentralbau mit einer angebauten fünfeckigen Apsis.
Nach der Zerstörung der im neunten Jahrhundert gestifteten Markuskirche gab der Doge Pietro I. Orseolo im Jahre 976 einen Neubau in Form einer Kreuzkuppelkirche in Auftrag. Dieser Bautypus, welcher auf einem griechischen Kreuz, dessen Arme und Mitte überkuppelt sind, basiert, kam durch die enge Verbindung mit Byzanz nach Venedig. Die Kirche der zwölf Apostel (Apostoleion
) in Konstantinopel beeinflußte den unbekannten Baumeister von San Marco maßgeblich; es finden sich jedoch auch romanische Elemente. 1094 war der Bau der cappella ducale
beendet. Das Prachtgehäuse für die Gebeine des Schutzheiligen
(Burckhardt) ist im Inneren vollständig mit Mosaiken bedeckt. Jene im Inneren und in der Vorhalle stammen weitgehend aus dem 13. Jahrhundert, und jene der fünf Portale wurden im 18. Jahrhundert erneuert. Die Restaurierung durch Giambattista Meduna (1836-1875), der große Teile der polychromen Steinverkleidung an der Südfassade zum Opfer fielen, wurde in den 1880er Jahren nach polemischen Protesten, besonders von Anhängern John Ruskins, unter Medunas Nachfolger Pietro Saccardo rückgängig gemacht.
Die 1140 vollendete Basilika Santi Maria e Donato auf der Insel Murano mit einem reichen, von John Ruskin in den Stones of Venice gezeichnetem Fries an der Außenwand der Apsis wurde im 17. Jahrhundert stark verändert, in den Jahren 1858 bis 1873 aber durch Camillo Boito und andere restauriert. Der wertvolle Mosaikfußboden stammt aus dem 12. Jahrhundert. In Venedig selbst haben sich von den zahlreichen romanobyzantinischen Kirchen, die noch auf der Ansicht Venetie MD
(um 1500) zu erkennen sind, nur wenige erhalten. Hier ist insbesondere die Kirche San Giacomo di Rialto zu nennen, die als älteste Kirche Venedigs gilt. Trotz des späteren Einbaus großer Thermenfenster bleibt der ursprüngliche Raumeindruck ablesbar. Sant'Agnese wurde im vierten Jahrzehnt des 20. Jh. einer purifizierenden Restaurierung unterzogen, in San Giovanni Decollato (San Zan Degolà
) hingegen ist Originalsubstanz in größerem Umfang erhalten. San Giacomo dall'Orio stammt wesentlich aus dem Trecento.
Im 13. Jahrhundert siedelten sich die Bettelorden der Franziskaner und der Dominikaner am jeweils anderen Ende der Stadt an. Den Orden war auch in Venedig Erfolg beschieden, so daß bald große Predigträume notwendig wurden. Unter Verarbeitung von Formengut festländischer Bettelordenskirchen entstanden mit den Basiliken Santa Maria Gloriosa dei Frari und Santi Giovanni e Paolo (Zanipolo
) im 14. Jh. die bedeutendsten Beispiele sakraler gotischer Architektur in Venedig. Die heute backsteinsichtigen Kirchen der Gotik waren einst verputzt; das verfälschte Bild, das sich dem heutigen Betrachter bietet, ist von der Denkmalpflege des 20. Jahrhunderts zu verantworten 1. Grabmale hochgestellter Persönlichkeiten an Kirchenfassaden, wie sie in der Renaissance immer beliebter wurden, sind erstmals an Kirchen der Gotik (Zanipolo, Sant' Elena) anzutreffen 2. Das Querschiff von Zanipolo und die Fassade der Madonna dell'Orto sind die vollendetsten Beispiele für die Anwendung von spätgotischem Maßwerk im venezianischen Kirchenbau. Die Kirche Santo Stefano besitzt ein schönes Portal von Bartolomeo Bon.
Der erste Sakralbau der Renaissance in Venedig ist die wohl von Mauro Codussi entworfene Kirche San Michele in Isola. Die Fassade von San Zaccaria, ab 1483 von Codussi fortgeführt, weist Parallelen zu San Michele auf. Im 16. Jahrhundert wurde wiederholt auf den in der Markuskirche und anderen kleineren Kirchen wie San Giacomo di Rialto überlieferten Typus der Kreuzkuppelkirche zurückgegriffen. Beispiele hierfür sind die um die Wende vom 15. zum 16. ebenfalls nach Entwurf von Codussi ausgeführte Kirche San Giovanni Crisostomo, oder die leider verlorene, von Giorgio Spavento errichtete Kirche San Nicolò di Castello. Beim größten venezianischen Kirchenbau des frühen 16. Jahrhunderts, San Salvador, bezieht sich das Schema der addierten quincunx
direkt auf San Marco. An der kleinen, tonnengewölbten Saalkirche Santa Maria dei Miracoli fand die Technik der Inkrustation, also der Verkleidung von Backsteinmauerwerk mit edlem Steinmaterial, ihre höchste Vollendung. Von Jacopo Sansovino haben sich die Kirchen San Zulian, San Martino sowie der Kirchenraum von San Francesco della Vigna erhalten. In der von Scarpagnino errichteten Saalkirche San Sebastiano ist die hervorragende malerische Ausstattung von Veronese erhalten.
Andrea Palladio, der in Venedig ausschließlich im Bereich der Kloster- und Kirchenarchitektur erfolgreich war, errichtete mit San Giorgio Maggiore (erst nach Palladios Tod vollendet), Il Redentore und der Fassade von San Francesco della Vigna richtungsweisende Kirchenbauten 3. Die Fassade von San Pietro di Castello steht in der direkten Nachfolge Palladios. Palladianische Tempelfronten und Gestaltungsmotive wurden von Epigonen, wie dem Baumeister der Kirche San Trovaso, übernommen und nicht nur bei Barockkirchen wie San Staè, sondern bis ins 19. Jh. hinein geradezu normativ. 1631-1638 entstand mit Santa Maria della Salute die bedeutendste unter den barocken Kirchen Venedigs. Die von Baldassare Longhena entworfene Kirche wurde zum Dank für das Ende der Pestepidemie 1630 gestiftet. Dem auf achteckigem Grundriß errichteten Zentralbau mit großer, von riesigen Voluten begleiteter Kuppel ist ein ebenfalls überkuppeltes Presbyterium mit seitlichen Apsiden angebaut. Einige Kirchenfassaden des 17. Jahrhunderts blieben unvollendet: die Penitenti, Santi Apostoli, San Marcuola, San Lorenzo, San Pantalon. In die Jesuitenkirche investierte der Adelige Antonio Manin erhebliche Summen. Die Kirchen von San Moisè und Santa Maria Zobenigo besitzen prägnante Beispiele für barocke Grabfassaden, die sich reiche Patrizier im Settecento errichten ließen. Die Fassade der Gesuati konnte nur durch die großzügige Spende einer Adeligen fertiggestellt werden; jene der Pietà an der Riva degli Schiavoni wurde aus Gründen der Stadtbildpflege erst im 20. Jh. vollendet. Ihr unfertiger Zustand ist in diversen Ansichten des 19. Jh. nachvollziehbar.
1706-1714 wurde durch Andrea Tirali der von Scamozzi begonnenen Theatiner-Kirche San Nicolò da Tolentino ein korinthischer Pronaos vorgeblendet. Tomaso Temanza errichtete 1760 die klassizistische Maddalena-Kirche. Dem kreisrunden Außenbau ist ein achteckiger Innenraum eingestellt. Unter den von napoleonischem Klassizismus geprägten, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstandenen Kirchen von Giannantonio Selva ist San Maurizio hervorzuheben. San Silvestro wurde im vierten Jahrezehnt des 19. Jahrhunderts begonnen und zeugt von der langen Fortdauer der klassizistischen Formensprache, wie sie auch an der Accademia vermittelt wurde.
San Giobbe
San Polo
Sant'Alvise
San Rocco
Ab 1806 zerstörte venezianische Kirchen
Für eine allgemeine Darstellung Franzoi, Umberto / Di Stefano,Dino: Le Chiese di Venezia, Venezia 1976, oder neuer: Concina, Ennio; Codato, Piero; Pavan, Vittorio: Kirchen in Venedig, München 1996.
1 Die nicht immer segensreiche Tätigkeit der Denkmalpflege ab dem 19. Jahrhundert findet eine übersichtliche Darstellung bei Pertot, Gianfranco; Quill, Sarah: Venice Extraordinary Maintenance, London 2005. Zur Restaurierung des Markusdoms: Dalla Costa, Mario: La basilica di S. Marco e i restauri dell'Ottocento, Venedig 1983
2 Zur Gotik: Dellwing, Herbert: Die Kirchenbaukunst des späten Mittelalters in Venetien, Worms 1990 sowie Valcanover, Francesco; Wolters, Wolfgang (ed): L'architettura gotica veneziana, Venezia 2000; zu allen Grabfassaden Venedigs die herausragende Studie von Gaier, Martin: Facciate sacre a scopo profano, Venedig 2002.
3 Die Zuschreibung der Chiesa delle Zitelle auf der Insel Giudecca an Palladio wird von der neueren Forschung nicht mehr vorbehaltlos akzeptiert; der Bau beeinflußte aber spätere Kirchenbauten wie die Salute. Vgl. Isermeyer, Christian Adolf: La concezione degli edifici sacri palladiani, in: Bollettino del Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio 14.1972, pp. 105ss