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wiederum viertheilige Rosetten stehen (vier Rundblätter mit dazwischen liegenden Diagonalstrahlen). Dem folgt abermals ein schmaler Gurtsims (Hohlkehle, Plättchen, kleine Brillantirungen auf vertikaler Fläche und Platte), jedenfalls zu kraftlos für den nun folgenden später zu besprechenden Ueberbau.
Wie aus dem geschichtlichen Ueberblick (s. S.
129 n.
130) erhellt, war zwar in jener Epoche Venedig schwer heimgesucht von Pest, Krieg und andern Unglücksfällen, und mochten wohl diese Umstände mitwirken zu der oben erwähnten langen Pause im Bau des Dogenpalastes, sowie überhaupt in allen grösseren öffentlichen Bauten. Dennoch aber entstand in dieser Zeit manches schöne Kunstwerk und gab den Künstlern Gelegenheit zu zeigen, dass sie fähig waren auf der einmal eingeschlagenen Bahn weiter zu gehen.
Als Bildungsstätte konnten sie den, wenn auch nicht immer lebhaft betriebenen, doch auch fast niemals ganz unterbrochenen Bau der Markuskirche betrachten.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde hier immer noch an der Vollendung der bereits S.
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161 besprochenen Theile fortgearbeitet, zum Theil die letzte Hand angelegt. Ausserdem wurde um diese Zeit der Nordflügel
PQ des Vestibüls (Fig. 45) begonnen und wie es scheint, noch vor jenem unheilvollen Jahr 1355 vollendet; auch die Bogen
S, T, U, V, und die Thür
W stammt, wie wir oben schon besprochen, jedenfalls aus dieser Periode; beginnen wir die Rundschau über diese Arbeiten bei der nördlichen Vorhalle. Dieselbe zeigt allerdings im Allgemeinen dieselbe Architectur, als die übrigen Theile des Vestibüls. Bei genauem Eingehen in die Details aber findet man denn doch einige wesentliche Verschiedenheiten. Zuvörderst scheint allmälig in dieser Zeit das alte Material nicht mehr in so grosser Auswahl vorhanden gewesen zu sein : die hier verwendeten Reliefplatten zwischen den oberen Bogen sind mehr beschädigt und unscheinbarer, die Säulenschäfte noch ungleicher, als auf der andern Seite. Die Füsse sind alle neu gearbeitet und gleich denen des Dogenpalastes sehr niedrig, mit nur wenigen Ausnahmen mit spitzen Eckblättern versehen, die sich in die Höhe schlagen, wo sie die Ecke der sehr niedrigen Plinthe erreichen. Von den alten wieder verwendeten Capitälern sind nur sehr wenige unverletzt gewesen; die Verletzungen aber in bei weitem freierer Weise versteckt als auf der Westseite; der Styl der Umarbeitungen der Schnecken und Abakusplatten, der abgebrochenen Mittelblumen etc. zeigt deutlich, dass nicht nur das Verständniss antiker Formen ganz verloren war, sondern dass man sich auch durchaus nicht die Mühe gab, sich in dieselben hineinzuarbeiten, sondern im Gegentheil meinte, es viel besser zu können.