Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 270 272

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sitzt dann eine vierfach gewundene Säule, deren breites Capitäl über dem sich als Deckplatte um dasselbe herumkröpfenden Hauptgesims ein Tabernakelchen trägt, ganz ähnlich denen der Markuskirche. In der Mitte jeder der beiden Hauptseiten steht ein grosses Fenster mit reicher Verzierung und Giebelbekrönung; das nach der Riva heraus an der Sala del Squittinio (Scrutinio) scheint ziemlich gleichzeitig mit dem Baue selbst entstanden zu sein; das andere an der Sala del maggior consiglio ist, wie bereits erwähnt, höchstens gleichzeitig, wenn nicht später, als die Porta della Charta.
Von vielem Geschick zeigt die bereits S. 195 erwähnte Manier, wie die fehlende Unterstützung für die Zwischenwände da, wo sie über die Hallen hinweggehen, ersetzt und verstärkt worden ist, indem die betreffenden Säulen durch Halbsäulen und Pilaster versteckt, die betreffenden Kreise nicht mit durchbrochenen Vierblättern, sondern mit Reliefplatten ausgesetzt sind.
Die eine dieser Reliefplatten enthält, eine Venetia auf einem Throne sitzend, dessen Seitenlehnen als Löwen gestaltet sind, welche unter ihren Klauen zwei Ungeheuer halten, die aus den bewegten Wellen des Meeres herauswachsen; diese Darstellung, welche den grossen Hang der Meister zur Symbolik bekundet, ist auf die Löwen bezüglich durch eine Inschrift in ziemlich schlechtem Latein erklärt: Fortis juxta trono furias mare sub pede pono. Aehnliche Darstellungen der Venetia als Bezähmerin des Meeres kehren häufig in Venedig wieder, und scheinen auch alle aus der Schule der Buon zu stammen, nach Styl und Arbeitsweise zu schliessen. Zwei der schönsten, wo aber die sitzenden Figuren noch durch Attribute (Säule und Schwert) als Festigkeit (Charakterstärke) und Gerechtigkeit gekennzeichnet sind, stehen über dem ersten Geschoss des Palastes Loredan (s. Fig. 38) in Vierblättern unter Baldachinen. Ueberhaupt scheinen die Buon bei aller ihrer Geschicklichkeit als Architecten sich doch mit bei weitem mehr Vorliebe der Bildhauerei hingegeben zu haben; wenigstens am Dogenpalast haben sie bei weitem mehr als Bildhauer, denn als Architecten geleistet; so schön die Architectur des Oberbaues am Dogenpalast auch sein mag, gegen den Unterbau steht er doch zurück; in diesen grossen Massen, nur durch Quadermuster gelöst spricht sich denn doch ein gewisser Mangel an Herrschaft über architectonische Massenvertheilung aus und wenn auch eben dieser Oberbau mit allen italienisch-gothischen Bauten, ausgenommen vielleicht den Dom zu Orvieto, den Vergleich aushält, so ist er doch durchaus nicht im Stande, sich mit den so leicht und zwanglos gelössten Massen der deutschen und niederländischen Rathhäuser zu messen; ganz anders ist dies mit dem plastischen Schmucke, der in reichlichem Maasse über alle Theil«

 

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