Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 265 267

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Madonna, allerdings von Bartolomeo zu sein, die andern aber erinnern im Allgemeinen so sehr an pisanischen Einfluss, besonders hier und da in der Haltung des Kopfes so sehr an die Werke der Masegne, dass wir fast glauben, es hier mit Werken eines damals schon bejahrten Künstlers, des Giovanni Bon zu thun zu haben, der wohl an dem älteren Typus fester hängen mochte, als sein Sohn Bartolomeo, in dessen Werken, und so auch hier in der Madonna, sich schon ein bedeutendes Lossagen von Traditionen, ein Bestreben, auf eigenen Füssen stehen zu wollen, ein Verlangen nach Idealität kund giebt, welches Alles nur von einem Jüngern, vorurteilsfreien Manne zu erwarten ist.
15) In jener Zeit, zwischen 1420 und 1423 brannte (s. S. 132) die Markuskirche ab, d. h. wahrscheinlich eben nur das Dachwerk, denn im Innern ist so viel von frühern Zeiten erhalten, wie wir bereits gesehen haben, dass selbst ein theilweiser Einsturz der Wölbungen in Folge jenes Brandes nicht zu den Wahrscheinlichkeiten gehört. Jedenfalls aber war dadurch eine neue Eindeckung nöthig geworden, und mögen nicht mit dieser Eindeckung zugleich die Ziergiebel in Eselsrückenform und die dazwischen stehenden Tabernakel etc. aufgesetzt worden sein? Es ist dies allerdings blos eine Vermuthung, aber die grosse Wahrscheinlichkeit, die sie in constructiver Beziehung hat, wird noch vermehrt dadurch, dass jene Arbeiten allerdings ungemein viel Aehnliches mit den bereits besprochenen Werken der Bon und ihrer Schüler haben, so dass wir sie wohl mit Fug und Recht in die Reihe dieser Arbeiten einschieben können, obgleich bis jetzt keine Documente über ihr Alter und ihre Verfertiger vorliegen.
Es mochte nicht gar zu leicht sein, die flachen Segmente der halbkreisförmigen Giebel, welche über die Dachung herausschauen, zu verzieren; sollte man es jetzt thun, so würde man wahrscheinlich diese Verzierungen im Style des Baues selbst machen; logisch richtiger, consequenter würde dadurch das Ganze wohl werden, ob auch für das Auge angenehmer, das ist wohl die Frage, denn wenn man sich auch bei ruhiger Betrachtung sagen muss, dass diese Façade eigentlich kaum in heterogenerer Weise hätte abgeschlossen werden können, so muss man doch gestehen, dass diese zierlich, fast keck aufgeschneppten Eselsrückengiebel, diese spielend und tänzelnd sich an ihnen hinaufrankenden Kriechblumen, diese kühnaufstrebenden, gerade unten blos durchbrochenen Tabernakel, wesentlich zu dem mährchenhaften Eindrucke beitragen, den dieser wundersame Bau macht, welcher durch grössere Stylconsequenz wohl auch bedeutend nüchterner werden würde. In die Zwickel zwischen je zwei Lünetten, welche zugleich den Einkehlen des Daches entsprechen, setzte der Meister kräftige, halbnackte Männer, welche eine

 

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