Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 262 264

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wurf, grosser Mannichfaltigkeit in der Bewegung und stark ausgeprägtem Ausdruck im Gesicht.
In der Giebelspitze befindet sich in einem von zwei Engeln gehaltenem Medaillon eine Madonna im Brustbild, mit dem Christuskind auf dem Arm , leider durchs Alter etwas unscheinbar geworden, aber noch als eines der schönsten Werke jener Zeit erkennbar.
Unschön ist die Anordnung, dass über dem Portale eine grosse darüber aber eine kleine Rosette steht, deren Wölbglieder aber, abwechselnd aus weissen und rothen Steinen bestehend, sehr fein und dabei doch kräftig profilirt sind. Die Fenster in den Seitenschiffen sind durch drei Mittelpfosten in vier Theile der Breite nach, der Höhe nach durch Maasswerk in zwei Theile getheilt; auch das Bogenfeld derselben ist mit Maasswerk ausgefüllt, welches ganz dem Typus folgt, den wir bei den Palästen ad 3) namentlich an der Casa Barbini in Murano und an der Cá d'oro kennen lernten. Das Hauptportal scheint der späteste Theil der ganzen Façade zu sein; die Gliederung der Gewände ist noch mittelalterlich; der über dem Sturz stehende, etwas weniges gestelzte Rundbogen erinnert in seiner Gliederung an die Werke der Lombardi. Neben dem Portal stehen ein Paar Säulen, übertrieben schlank, mit Schwellung und Verjüngung, mit attischer Basis auf Postament und korinthischen Capitälen versehen; sie tragen schlanke, achteckige Pfeilerchen, welche als Postamente für Figuren, zugleich aber auch als Anlehnungspnnkte für den ziemlich gedrückten Eselsrückengiebel dienen, der das Portal bekrönt. Obgleich durch das Angenehme der Hauptverhältnisse, durch die Schönheit des Materials, die Correctheit der Arbeit an Capitälen, Kriechblumen etc. schon bedeutend gemindert, ist dennoch eine bedeutende Disharmonie, durch diese barocke Zusammenstellung so heterogener Elemente herbeigeführt. Uebrigens harmonirt dieses Portal gar nicht mit den übrigen Theilen der Façade, mit denen höchstens die Gewände und die Gliederungen und Kriechblumen des Giebels gleichzeitig sein können; an dem Gewände stehen gewundene Säulchen, auf deren Capitälen achteckige Consolen stehen, die jetzt ganz bestimmungslos dastehen, die aber jedenfalls ursprünglich zum Tragen der Figuren bestimmt, vielleicht sogar benutzt waren; wenigstens haben sie auf ihrer obern Fläche zugekittete Dobellöcher. Der Giebel war damals wahrscheinlich schmäler und dadurch steiler als jetzt; die Säulen scheinen später angesetzt und dabei der Giebel breiter gemacht worden zu sein und zwar deuten die Formen der Säulen, sowie der Bogenchambranle auf die Zeit zwischen 1470 und 1480 hin, gehören überhaupt auch nicht mehr dem Mittelalter, sondern der Renaissance in ihrem ersten Auftreten an.

 

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