Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 199 201

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doch zugleich projectirt sein mögen. Es fehlte aber nun 1350, wie wir aus dem Ueberblick der Bildhauerarbeiten S. 184190 gesehen haben, an Bildhauern, welche fähig zu so vollendet schöner Arbeit gewesen wären, als diese Giebel zeigen, wir müssen sie daher später setzen.
Die Kuppelüberbaue aber scheinen aus jener Zeit zu sein. Sie früher anzunehmen, erlaubt ihre schlanke Form nicht, später aber können sie wegen der überhobenen Schneppenbogenform ihrer Fenster und Laternen auch nicht gut sein. Sie erinnern lebhaft an die Kuppeln russisch-byzantinischer Kirchen, wozu noch die allseitig verzweigte Form der sie krönenden Kreuze wesentlich beiträgt; ihre Construction zeugt von dem hohen Standpunkt der Technik jener Zeiten. Allerdings mussten die Venetianer als tüchtige Schiffsbauer in solchen Constructionen weniger Schwierigkeiten finden, als irgend ein anderes Volk. Sind diese Kuppelbaue vielleicht ein Werk des Schiffsbauers Calendario? Glauben kann man es, aber Bestimmtes lässt sich darüber nichts sagen; übrigens war, wie wir schon oben gesehen haben, die Architectenwirksamkeit des Calendario nur von kurzer Dauer und müsste wenigstens zehn Mal länger gewesen sein, wenn alles das, was Manche ihm zuschreiben, von ihm sein sollte. Das Einzige, worauf man dabei fusst, ist die Aehnlichkeit der betreffenden Bauten mit dem Dogenpalast; diese Aehnlichkeit ist übrigens bei vielen ihm zugeschriebenen Bauten nur gering, immer aber gross genug, um diese Bauten als ziemlich gleichzeitig mit den Colonnaden des Dogenpalastes betrachten zu müssen. Einige derselben, welche wirklich innere organische Verwandtschaft damit nachweisen, müssen allerdings in Folge dessen als in der Zeit von 1340— 1360 entstanden betrachtet werden; andere sind jedenfalls etwas früher, noch andere später. Alle diese Bauten sind Paläste; bemerkenswerth ist es, dass während in den Palastbauten jener Zeit vieles Verwandte mit dem Dogenpalast liegt, fast in keinem Kirchenbau uns ein Nachbild von S. Marco entgegentritt; es haben die Paläste in Folge dieser Verwandtschaft fast alle etwas Orientalisches an sich, und treten zugleich als speciell venetianisch auf, während die Kirchen mehr und mehr germanische Elemente zeigen; eine Folge eben dieses Nachstrebens nach dem Vorbild des Regierungspalastes aber scheint es zu sein, dass die Paläste länger dem mittelalterlichen Styl in mancher Beziehung wenigstens treu bleiben, als die Kirchen, was auch theilweise darin seinen Grund haben mag, dass Sitten und Lebensweise der Venetianer sich strenger von denen des Festlandes abschlossen, als die Religion und Kirchenverfassung, welche vielmehr mit der des Festlandes Hand in Hand ging, und deren sichtbare Repräsentanten, die Kirchen, daher auch eher die Renaissanceformen annehmen, als die Paläste.

 

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