S. 152
Hinrichtung dasselbe im Jahr 1355 confiscirt und verauctionirt wurde, aber trotz dem seitdem immer wiederkehrenden Wechsel der Besitzer noch bis heute im Munde des Volks den Namen jenes Unglücklichen bewahrt hat. Es ist ein ziemlich kleines Haus am Ponte de' SS. Apostoli, welches seine Façade dem Campo gleiches Namens zukehrt und diese kleine Façade zeigt ein fast noch bunteres Gemisch, als das schon S. 67 erwähnte und später nochmals zu erwähnende Haus am Campo dei Mori; so ist z. B. eine antike runde Ara als Säulenschaft benutzt, der Sockelfries und ein Theil der Archivolten des Erdgeschosses sind byzantino-romanisch, andere Bogen sowie die Anordnung des Hauptgeschosses sind italienisch-byzantinisch. Einzelnes aber deutet schon auf die beginnende Ausbildung der Eselsrücken und da dieses Einzelne durchaus nicht später eingesetzt sein kann, wovon wir bei genauerer Besichtigung des Verbandes etc. uns deutlich überzeugt haben, so haben wirs hier jedenfalls mit einem Bauwerk aus der Zeit von 1220—1250 zu thun, bei dessen Aufführung man frühere Bautheile ganz willkürlich wieder benutzte. Aber gerade diese Erscheinung ist charakteristisch für die betreffende Zeit, wir finden darin den Beweis für die architektonische Unklarheit, die damals herrschen mochte, den Beweis für die Schwankungen, die die Kunst zu überstehen hatte, ehe sie zum Bewusstsein ihrer selbst kam und dadurch die Kraft gewann, welche sie in der nächsten Periode durch überraschend schnelle Entwicklung bewährte. Zeugen dieses Kampfes und namentlich Beweise dafür sind ausser einigen historisch nicht festzustellenden Portalen etc. (z. B. am Corte del Berner zwischen dem Fondacho dei Tedeschi und dem Palast am Traghetto dei S. Apostoli und eine Hausthür auf dem Campo S. Maddalena) einige Bogen in dem corte della Ramera am zweiten Stock eines Hauses und ein vermauertes Thor an dem um 1250 erbauten Palast Polo bei S. Giovanni Grisostomo unweit des Theaters Malibran, dessen Bogen oben rund geschlossen und hufeisenförmig eingezogen und dessen Archivolte mit Pflanzenverschlingungen verziert ist, welche Blumen und Thiere in regelmässig vertheilten Kreisumfassungen umziehen. Dieses Thor ist fast das Einzige, was von der Wohnstätte des berühmten Reisenden Marco Polo übrig geblieben ist, gibt aber durch seine sorgfältige Ausführung Zeugniss ab für die technische Fertigkeit Einzelner unter den Arbeitern jener Zeit. Wie wir oben S. 111 erwähnten, wurde die jetzt S. Leo oder im Venetianerdialect S. Lio gen. Kirche um 1100 wieder aufgebaut; doch ist von dem damaligen Bau eigentlich so gut wie nichts mehr an der Kirche erhalten; höchstens kann man die Form des Giebels, ein Halbkreis mit zwei sich daran lehnenden Quadranten, sowie die glatten Mauern ohne Strebepfeiler als alt annehmen.