Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 144 146

S. 145

Schon oben S. 109 und 110 erwähnten wir die Kanzel zu Grado und das Baptisterium von Aquileja, auf welche beiden Denkmale wir jetzt zunächst zurückzukommen haben. Die Patriarchalkirche zu Grado hat in Folge der vielen Kämpfe natürlich mannichfache Zerstörungen und in den dadurch veranlassten Restaurationen mannichfache Veränderungen erfahren, darunter namentlich eine sehr umfassende durch Pietro Orseolo und dann nach der Invasion der Aquilejaner im Jahr 1024. Die Hauptanlage ist jedenfalls dennoch immer noch die ursprüngliche; die Kirche ist eine dreischiffige Basilika ohne Querschiff mit einer Apsis; an jeder Seite stehen 10 Säulen, von denen die meisten spätrömische, nur wenige ravennatische Formen zeigen; auch der Mosaikfussboden ist noch der ursprüngliche (aus dem 8. oder 9. Jahrhundert), ornamental aber von keinem grossen Interesse. Der Altar steht vor dem Triumphbogen unter einem säulengetragenen Baldachin. Von den Cancellen, die sehr den Brüstungsfeldern in S. Marco ähneln, sind hur noch Bruchstücke vorhanden. Das Baptisterium ist nicht von grossem Interesse, welches blos durch die Kanzel und den Patriarchensitz gefesselt wird.
Was zunächst den Patriarchensitz betrifft, so steht derselbe ebenso wie in Torcello im Hintergrund der Apsis, der eigentliche Stuhl ist nicht mehr vorhanden, wohl aber die zu ihm hinaufführende Treppe mit Steingeländer zu beiden Seiten; am Anfang der Treppe stehen zwei Säulen, die, eine an der Rückseite in die Wand fahrende Platte tragend, gewissermassen einen Baldachin über Treppe und Stuhl bildeten ; Anordnung und Arbeit ist unorganisch und zeugt von Armuth, jedenfalls ist das Ganze aus Ueberbleibseln einer glänzendem Zeit nach 1024 wieder zusammengeflickt worden. Vollständiger und mehr aus einem Guss ist die Kanzel, welche, wie schon oben bemerkt, sehr der in S. Marco ähnelt. Die untern Säulen sind älter und ihre Capitäle vielleicht aus spätrömischen auf dieselbe Weise zugestutzt, wie wir dies oben S. 60 sahen. Die Basen (romanisch mit Eckblättern) scheinen bei Aufstellung der Kanzel gearbeitet; von den auf den Abaken der untern sechs Säulen direct aufstehenden auswärts gerundeten Brüstungsplatten enthalten vier die Darstellungen der Evangelistensymbole mit Büchern und entsprechenden Inschriften. Die Arbeit dieser Platten ist sehr roh, so dass man sich versucht fühlt, sie für romanische Arbeiten zu halten, die vielleicht ursprünglich an den Ambonen gewesen sein mögen und erst bei oben gedachter Restauration den gegenwärtigen Platz erhielten. Die oberen sechs Säulen aber mit ihren achteckigen Schäftchen und Capitälen, sehr ähnlich den Fig. 41 gegebenen, sammt den von ihnen getragenen Eselsrückenbogen mit Nasen und zwischengestellten Scheiben, sowie die weiss und roth gerautete Kuppel scheinen sogar aus dem

 

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