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eigentliche Kuppelwölbung, vielleicht auch um mehr Licht durch die in diesem Tambour anzubringenden Fenster zu gewinnen. Welche Gestalt das Ganze äusserlich ursprünglich gehabt haben mag, davon lässt sich jetzt gar nicht mehr sprechen, indem ein flaches, nach allen Seiten hin abgewalmtes Hohlziegeldach darauf gelegt ist. Das Gebäude scheint mehrfach sehr unverständigen Restaurationen unterlegen zu haben, zuletzt wurde es im Jahre 1842 reparirt, zwar ohne Verunstaltung, aber auch ohne besondere Rücksicht auf die alten Formen.
Gleichzeitig begonnen, aber später vollendet, weil von grösserem Umfange, wurde das Baptisterium von Aquileja unter dem Patriarchen Ulrich I. Dieses Baptisterium, welches jetzt des Daches beraubt und durch die Unbill der Witterung, der es biosgestellt ist, theilweise in Ruinen zerfallen ist, harrt der rettenden Hand der k. k. Centraleommis-sion entgegen, die seine Restauration bereits angebahnt hat. Seiner Vollendung nach gehört es in das 12. Jahrhundert und werden wir daher bald näher darauf zurückkommen. Erst müssen wir aber unsere Leser bitten, uns aus den heiligen Hallen der Kirchen und Baptisterien noch einmal in das laute Getümmel der Kriegsthaten und Handelsverbindungen Venedigs zu folgen, um den nöthigen historischen Grund für die Bauten der nächsten Kunstperiode Venedigs zu gewinnen, in welcher das byzantinische Element, mit normannischen und arabischen vermischt, bedeutenderen Einfluss als je zuvor erlangt, das romanische Element immer mehr in den Hintergrund drängt und so zu sagen eigentlich nur durch einige den venetianischen Localbedürfnissen und dem italienischen Charakter entsprungene Modificationen von den Gestaltungen abweicht, die er in derselben Zeit, in andern ebenfalls nicht griechischen Ländern, z. B. im Kaukasus, in Rumenien, Armenien, Georgien, ja selbst bis Erivan im Osten und im Westen bis Quadalayara sich ausbreitend und überall noch andere Elemente aufnehmend, in grösster Mannigfaltigkeit erzeugt, immer aber seine Hauptzüge, directes Aufsitzen des Bogens auf seinem Würfel über dem demgemäss gestalteten Kapital freistehender Säulen, noch nicht völliges Aufgeben der horizontalen vorwaltenden Kuppelform bei kirchlichen Bauten beibehaltend.
Wollte man die beiden Kunstrichtungen in Venedig, die sich in den Perioden von 864—1071 und von da bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts zusammenfassen lassen, classificiren, so könnte man vielleicht die der ersten byzantino-romanisch, die der zweiten italienisch-byzantinisch nennen. Erklärt wird dieses immer mehr überhandnehmende Vorherrschen orientalischer Formen hinlänglich durch die immer häufiger werdenden freundlichen und feindseligen Berührungen Venedigs mit dem