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das Minimum der Stärke reducirt; durch jenes Einsetzen in das Schild eines scheitrechten Bogens ist jeder Bogen in ein Viereck eingefasst, durch welchen Umstand Horizontale und Verticale in das vollständigste Gleichgewicht gekommen sind. Die innere essentielle Verschiedenheit dieser beiden Style zeigt sich am besten wohl auch darin, dass das Arabische im Laufe des 13. Jahrhunderts in das Maurische überging, mit seinen pedantisch accurat und filigranartig zart gearbeiteten Details, mit dem scheitrechten Bogen als einzigem eigentlichen Constructionsbogen, und hineingesetzten, vielgestaltig, mannichfachen, durchbrochenen Gripsornamenten etc.; in der italienisch-byzantinischen Kunst Venedigs aber gehen die Bogen, wie schon gesagt, in den Eselsrücken über, der von einem rein decorativen Viereck mit Scheiben in den Zwickeln umschlossen ist.
Die meiste Aehnlichkeit bieten die Bauten dieser beiden Style noch in den Holztheilen, nämlich in Decken, Dächern, Hauptsimsen, welche allerdings nur bei wenigen erhalten sind, und die einzeln erwähnt und besprochen werden sollen.
Was aber den Charakter dieser beiden Architekturen betrifft, so zeigen sie sich, namentlich in Bezug auf Privatarchitektur, denn doch sehr verschieden. Die arabischen Wohnhäuser sind gegen die Aussenwelt fast völlig abgeschlossen, mit Ausnahme eines einzigen gekuppelten Fensters über dem Thor, welches aber mehr zum Heraus- als Hineinsehen eingerichtet ist. Das Innere der Wohnhäuser ist gross, luftig, behaglich und behäbig in der Eintheilung, voller kleiner Bequemlichkeiten und Comforts in der Einrichtung. Das Haus eines venetianischen Kaufmanns hingegen zeigte von jeher bis zum Ende des 16. Jahrhunderts den Vorübergehenden das ganze Leben und Weben seiner Bewohner, durch die eine ganz offene Seite, mit Ausschluss des Geschäftslebens, denn die Comptoirs hatten nie grössere Fenster als des Lichtes wegen nöthig sind. Alles Uebrige aber lag den Blicken bloss und so entbehrte die Wohnung selbst nicht nur aller der durch die Abgeschlossenheit von der Aussenwelt herbeigeführten Behaglichkeit und Ruhe, sondern auch allen und jeden Comforts, der aus dem innern Zusammenhang der Zimmer hervorzugehen pflegt. Das arabische Wohnhaus zeigt sich nach aussen einfach und ernst, das venetianische coquett und prahlerisch.
Eine Hauptverschiedenheit aber besteht noch in dem unbewusst in jedem Bauwerk niedergelegten nationalen Wesen, dessen Einfluss auf die Formen der Bauwerke niemals wegzuleugnen, sehr schwer aber im Einzelnen darzuthun, vielmehr nur durch Hinblick auf die Geschichte verständlich zu machen ist.