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Augenblick; sie hat etwas Elegantes, über dem man fast das Unorganische derselben vergisst; bei näherer Betrachtung freilich stört der Mangel an innerem Zusammenhang zwischen dem einzutheilenden Raum und dem System der Eintheilung, auch bleiben namentlich bei den obera Reihen dreieckige Zwickel zwischen der Curve des grossen Halbkreises und den kleinen Bogen, die sehr unangenehm wirken, jedenfalls ist das Motiv nicht aus dem byzantinischen Einfluss, sondern aus den Resten spätrömischer Formgebung hervorgegangen, die zu jener Zeit noch nicht ganz vergessen war, und hier mag wohl Engelhardt in Cassel ganz Recht haben, wenn er vermuthet, dass die grossen Lünetten in den römischen Thermen eine ähnliche Eintheilung gehabt haben.
Die ursprüngliche Form der Giebel über den alten Lünetten ist uns noch ganz erhalten an der südlichen Seite des Kreuzstammes und an der westlichen Seite des südlichen Querarms, also bei
A und
B im Grundriss; ebenso war der Mittelgiebel der Westfaçade über der daselbst befindlichen grossen Lünette, ehe er durch die beiden neben jener stehenden Blindbogen cachirt und durch die gothische Ornamentirung umgestaltet wurde. Ueber die ursprüngliche Ornamentirung dieser Giebel lässt sich wenig sagen; an jenen, in ihren Hauptformen noch erhalten, ist gar kein Ornament zu sehen und lässt sich nicht behaupten, ob dieselben von Haus aus gar nicht verziert waren oder gleich den in denselben stehenden Lünetten ihrer Verzierung beraubt worden, um damit die zum Theil sie versteckenden blinden Lünettengiebel der jetzigen Façade zu decoriren. An der Hauptlünette im Westen ist eine mit Figuren in sechseckigen Feldern und Blattgewinden dazwischen verzierte Archivolte, die allerdings in der Anordnung des Ornaments viele Aehnlichkeit mit Arbeiten des 11. Jahrhunderts zeigt, in Einzelheiten aber und in der Technik auf das 15. Jahrhundert deutet, so dass wir uns eines bestimmten Urtheils enthalten, ob sie bei der ersten Bauperiode ähnlich gestaltet war und im 15. Jahrhundert blos erneuert wurde, oder ob sie vorher gar nicht existirt; so viel vom Oberbau. Was nun den Unterbau der Façade anlangt, so halten wir aus den oben angeführten Gründen für aus der Zeit bis 1071 stammend nur die drei mittleren Bogen mit der dahinter liegenden überwölbten Halle vor dem Langschiff der Kirche, dessen Umfassungsmauern gleich denen der Kreuzarme damals bis an die Lünetten ganz schmucklos sein mochten, da man ja den Bau durchaus nicht als vollendet ansah, sondern fortwährend noch Material zu dessen Ausschmückung herzulieferte, ohne sich darüber klar zu sein, wie man dieses viele reiche Material noch verwerthen könne; dafür zeugt der gänzliche Mangel an organischem Zusammenhange zwischen der Anlage des südlichen und nördlichen Armes der Vorhalle und dem Innern, das