Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 67 69

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möglich, genau zu beurtheilen, in wie weit die Vermuthung einiger Kunstgeschichtschreiber gegründet sei, dass diese Wohnhäuser auf den Ecken thurmartige Aufbaue gehabt hätten, welche Vermuthung man unter Andern darauf zu gründen versucht hat, dass die ähnlich gebildeten Wohnhausfaçaden im südlichen Frankreich zum Theil solche Aufbaue vorweisen; aber wie auffallend auch die ausserordentliche Aehnlichkeit dieser Façaden, namentlich in Cluni, Caudebec, Perigueux, St. Ives etc. mit den eben besprochenen in Venedig ist, so würde es doch sehr gewagt sein, darauf hin zu schliessen, dass die venezianischen Wohnhäuser mitten im Meere solche Thürme gehabt hätten, als jene auf dem Festlande, zum Theil in Gebirgsstädten, da doch wohl anzunehmen ist, dass die venetianischen Colonisten, welche jene Gegend im 11. und 12. Jahrhundert bewohnten, wenn sie auch in der Hauptsache den architektonischen Typus ihrer heimathlichen Bauwerke beibehielten, sich doch in Manchem nach den lokalen Bedingungen ihrer neuen Heimath richteten. Indem wir uns nun von den Frivatgebäuden zu dem Hauptwerke der behandelten Periode, zu dem Dom von S. Marco wenden, übergehen wir einzelne hie und da in der Stadt zerstreute Ueberbleibsel von Bauwerken dieser Zeit, weil dieselben theils nicht einer nähern Betrachtung werth, theils "Wiederholungen der schon behandelten Formen sind, alle aber geben Zeugniss von dem grossen Einfluss orientalischer Formen auf die Kunst Venedigs, ja hie und da findet man sogar statt der überhobenen Rundbogen den Hufeisenbogen angewendet.
Nach Einigen wurde schon 532 eine Kirche San Teodoro an der Stelle, wo jetzt die Marcuskirche steht, errichtet, nach Andern geschah dies erst 553 und zwar auf Kosten des Narses aus Erkenntlichkeit für die ihm von den Venetianern geleisteten Dienste (S. Seite 21). 828, nach Andern 831 wurde der Leichnam des Heiligen Marcus nach Venedig gebracht und sogleich im Beisein des Dogen der Grundstein zu einer Kirche gelegt, deren Bau auch nach des Dogen Giustiniano Partecipazio's Tode von dem durch ihn dazu legirten Gelde eine Zeit lang fortgesetzt wurde, aber durch die unruhigen Zeiten unterbrochen, ruhte der Bau bis zum Jahre 864, wo Orso Partecipazio sogleich nach seiner Erhebung zum Dogen es sich zur Pflicht machte, den letzten Willen seines Grossvaters zur Erfüllung zu bringen. Aus den über diesen Bau vorhandenen Nachrichten ist nicht ganz deutlich zu ersehen, ob die Kirche S. Teodoro weggerissen oder blos mit in den Bau hineingezogen wurde, jedenfalls war aber dieser Bau trotz den von Zeitgenossen der Pracht seiner Ausschmückung gewidmeten Lobeserhebungen nicht sehr solid, wahrscheinlich sogar in seinen constructiven Theilen nur von Holz aufgeführt, jedoch

 

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