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möglich, genau zu beurtheilen, in wie weit die Vermuthung einiger Kunstgeschichtschreiber gegründet sei, dass diese Wohnhäuser auf den Ecken thurmartige Aufbaue gehabt hätten, welche Vermuthung man unter Andern darauf zu gründen versucht hat, dass die ähnlich gebildeten Wohnhausfaçaden im südlichen Frankreich zum Theil solche Aufbaue vorweisen; aber wie auffallend auch die ausserordentliche Aehnlichkeit dieser Façaden, namentlich in Cluni, Caudebec, Perigueux, St. Ives etc. mit den eben besprochenen in Venedig ist, so würde es doch sehr gewagt sein, darauf hin zu schliessen, dass die venezianischen Wohnhäuser mitten im Meere solche Thürme gehabt hätten, als jene auf dem Festlande, zum Theil in Gebirgsstädten, da doch wohl anzunehmen ist, dass die venetianischen Colonisten, welche jene Gegend im 11. und 12. Jahrhundert bewohnten, wenn sie auch in der Hauptsache den architektonischen Typus ihrer heimathlichen Bauwerke beibehielten, sich doch in Manchem nach den lokalen Bedingungen ihrer neuen Heimath richteten. Indem wir uns nun von den Frivatgebäuden zu dem Hauptwerke der behandelten Periode, zu dem Dom von S. Marco wenden, übergehen wir einzelne hie und da in der Stadt zerstreute Ueberbleibsel von Bauwerken dieser Zeit, weil dieselben theils nicht einer nähern Betrachtung werth, theils "Wiederholungen der schon behandelten Formen sind, alle aber geben Zeugniss von dem grossen Einfluss orientalischer Formen auf die Kunst Venedigs, ja hie und da findet man sogar statt der überhobenen Rundbogen den Hufeisenbogen angewendet.