Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 64 66

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den Ecken zustehenden Pfeiler sind gerade wie unten mit Reliefbogen verziert. Ueber dem Scheitel des Fenslers sitzt eine Scheibe, diese wiederholen sich auch in der Mittelhalle, deren Gestaltung und reiche Verzierung aus Fig. 43 zu ersehen ist.
Diese Stellung der Scheiben nicht zwischen, sondern über den Fenstern, ist sehr selten; auch waren hier dieselben nicht zu Aufhängung von Maiquisen etc. bestimmt, denn sie haben keinen Knauf sondern sind mit phantastischem Pflanzen- und Thierwerk ausgefüllt. Der Löwe mit dem Lamm fehlt auch hier nicht. Die Bedeutung der wie es scheint symbolischen oder allegorischen Darstellungen auf den andern Feldern haben wir nicht entziffern können. In gleicher Breite mit dem obern horizontalen Ornamentenfriess läuft von diesem aus bis auf die Kämpfer der Etage ein glatter Friess an den Ecken der Façade hinab. Die Säulenkapitäle scheinen auch bei diesem obern Geschoss später, und zwar vielleicht erst im 14. Jahrhundert, ausgearbeitet worden zu sein.
Die Façade der Casa Barbini in Murano hat früher dieselbe Architektur gehabt, ist aber im 14. Jahrhundert umgebaut worden und dabei sind ein Paar kleine Fenster ganz in ihrem ursprünglichen Zustande geblieben und die Scheiben und Tafeln in ganz unorganischer, zwar sehr origineller aber spielender Weise wieder an die Wand angesetzt worden, während die bei diesem Umbau neugearbeiteten Architekturstücke an Fensterfüllungen und Rosetten sehr schön sind und von grosser Befähigung des betreffenden Architekten zeugen, der wahrscheinlich in jenem spielenden Wiedereinsetzen der alten Stücke einer Laune des Bauherrn hat folgen müssen. Wir werden weiter unten nochmals auf diese Façade zurückkommen.
Auf dem Campo S. Maria formosa in Venedig selbst steht ein Haus, das zum Theil in neuerer Zeit modernisirt worden ist. Dabei ist das Parterre so umgeändert worden, dass sich über seine frühere Disposition gar nichts sagen lässt, was deshalb sehr zu bedauern ist, weil alle die bis jetzt beschriebenen Façaden nach dem Wasser zu liegen, und es sehr interessant sein würde, zu wissen, ob die an Plätzen und Strassen liegenden Häuser jener Zeit gleich den am Wasser liegenden eine grosse Halle im Parterre hatten oder an deren Stelle ein mehr oder weniger umfängliches Portal in der Mitte, zu den Seiten desselben aber vielleicht Kaufladen, wie es gegenwärtig bei dem in Rede stehenden Hause der Fall ist. Die erste Etage hat eine kleine Mittelhalle von drei Rundbogen, deren Archivolte nach aussen mit einem über dem Scheitel aufgeschnepptem Rundstabe eingefasst sind, deren Kämpfer ein ähnliches Profil zeigt wie Fig. 39, und die nicht auf Säulen, sondern auf schmalen viereckigen Pfeilern ruhen. An jeder Seite stehen zwei

 

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