Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 47 49

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dern müssen uns dahin entscheiden, dass die Stilrichtungen des Mittelalters in folgende zerfallen:
1)   Altchristliche oder lateinische und aus ihr hervorgehend
2)   die frühromanische — neben derselben aus ächtrömischen und orientalischen Elementen
3)   die byzantinische
4)   aus dem Kampf der byzantinischen und frühromanischen, aas der Vermischung beider mit nordischen Elementen die spätromanische, bisher allerdings fälschlich byzantinisch, von Einigen sogar lombardisch genannt, aus deren Vermischung mit normannischen Elementen endlich
5)  die gothische Bauweise entstand.
So viel auch gegen die Benennung gothisch mit Recht geeifert worden ist, so ist sie doch viel zu sehr eingebürgert, als dass ein Versuch sie auszurotten, gelingen würde, behalten wir sie daher bei.
Gleichzeitig mit der Ausbreitung der byzantinischen Kunst nach Westen, wodurch der spätromanische Stil entstand, breitete sich dieselbe auch nach Südosten aus und bildete durch Vermischung mit indischen und persischen Elementen
6)   den arabischen Stil, dessen Verpflanzung nach Afrika und Spanien die Entstehung
7)   des maurischen herbeiführte, während durch seine Vermischung mit normannischen Elementen sich
8)   die sarazenische Bauweise auf Sicilien ausbildete, die zur Gestaltung der gothischen wiederum das Ihrige beitrug.
Dadurch nun, dass Venedig immer mit allen den Völkern, die die Träger dieser verschiedenen Stilrichtungen waren, lebhaft verkehrte, erklärt es sich, dass die Bauten Venedigs die Typen aller dieser Stilrichtungen und zwar bald die der einen, bald die der andern mehr vorherrschend an sich tragen. Die organische Entwicklung der Baukunst Venedigs ist daher nicht eher mit Schärfe darzulegen, als nach Betrachtung der einzelnen Denkmale in möglichst chronologischer Reihenfolge, mit jedesmaliger Rücksicht auf die zur Zeit der Errichtung der einzelnen grade besonders gepflogenen Verbindungen Venedigs mit diesem oder jenem Staate. Darum haben wir auch unsere Leser solange mit der politischen Geschichte Venedigs bemüssigt und gehen nun zu der Beschreibung der Bauwerke selbst über.
S. Giacometto di Rialto. Die vermuthliche Gründungszeit dieser Kirche wurde schon oben erwähnt; sie soll zwar nicht die erste Kirche gewesen sein, die hier errichtet wurde, denn nach Gallicioli wären mindestens die Kirchen S. Zaccaria und S. Sergio e Bacco noch vor ihr erbaut worden. Von diesen alten Bauten aber ist uns gar nichts mehr erhalten,

 

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