Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 290 292

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welches an einem Hause bei der Ponte dell angelo angebracht ist zum Schutze eines en relief gearbeiteten Engels, welcher zwei Wappenschilder hält, und den Malerei umgiebt.
Wenn wir nun auch die zuletzt aufgeführten Denkmale als die letzten Zeichen der Herrschaft mittelalterlicher Kunst in Venedig anführten, so wollen wir damit durchaus nicht sagen, dass an späteren Werken keine gothischen Formen mehr vorkämen ; im Gegentheil konnte man sich durch geraume. Zeit hindurch noch nicht von allen mittelalterlichen Reminiscenzen lossagen, aber die Herrschaft der romantischen Bauformen war gebrochen und mehr und mehr mussten sie den antikisirenden weichen. Wenn wir also auch noch im nächsten Abschnitte Bauwerke besprechen werden, an denen einzelne Formen sich vorfinden, die aus dem Mittelalter stammen , so stehen dann solche einzelne Formen eben nur als Zeugen der Zähigkeit da, mit der die Gothik das einmal errungene Terrain in Venedig gegen die Angriffe der Renaissance vertheidigte, der sie freilich, obgleich nur Schritt für Schritt, endlich ganz weichen musste, und die sie so total verdrängte, dass selbst in neuester Zeit der Geschmak an mittelalterlichen Formen sich in Venedig viel später und langsamer, als z. B. in Deutschland Bahn brechen konnte; und selbst jetzt, wo er sich Bahn gebrochen hat, wo in der Lagunenstadt so viele wackre Kämpen für die Ehre der mittelalterlichen Kunst mit Begeisterung in die Schranken zu treten jeden Augenblick bereit sind, selbst jetzt ist man dort noch weit gegen Deutschland zurück in der Kenntniss dieser Kunst und in der Fähigkeit sie wieder anzuwenden. Wir haben bereits an verschiedenen Stellen dieses Bandes leider Gelegenheit nehmen müssen, auf diesen Mangel an Verständniss hinzuweisen , der sich namentlich bei Restaurationen manchmal nur zu auffallend kundgiebt. Merkwürdig ist diese Erscheinung bei dem grossen Vorrath an bewundernswerth schönen Vorbildern, bei der grossen Mannichfaltigkeit von gut erhaltenen Exemplaren. Dieselbe äussert sich nicht blos in anachronistischer Vermischung früherer und späterer Formen, sondern in total fehlerhafter Nachahmung dieser Formen selbst; so steht z. B. bei S. Fantin neben dem Atenäo ein neues Haus, an welchem man ein buntes Gemisch fast aller, in den beiden Abschnitten dieses Buchs behandelten Formen beobachten kann; dabei sind aber auch noch gegen einzelne dieser Formen Fehler begangen : Die gewundenen Säulchen an der Ecke liegen nicht in einem False, sondern stehen vor und sind so ungeschickt gewunden, dass sie eher ebenso vielen Stricken, als gewundenen Säulen gleichen; die Blumen über den Fenstern sind im untern Theil (der eigentlichen Blätterkrone) viel zu niedrig, während der obere Theil (der Samenknauf) zu hoch und spitz erscheint; die Cham-

 

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