Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 277 279

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nach der Scala dei Giganti führt und 1471 vollendet ward, kann recht wohl von dem ältern Bartolomeo herrühren, die Verzierungen aber scheinen auch hier etwas später zu sein, sie sind sehr schwülstig und verlassen in ihren Bewegungen die durch die Bestimmung eines Gewölbpfeilercapitäls gezogenen Grenzen. Das Aeussere dieses Ganges hat später bei Herstellung des Uhrpavillons so willkürliche Veränderungen erfahren, dass eben so gut wie nichts mehr von der Arbeit der Bon daran zu sehen ist. Etwas mehr hat sich der Riesentreppe gegenüber erhalten, sowie auch zur Linken des Ganges im grossen Hofe, wo namentlich die Arkaden des Obergeschosses noch ziemlich im alten Zustande geblieben sind und nicht gerade sehr wesentliche Abweichungen von dem Styl der Aussenseite zeigen; die Säulen sind ähnlich denen am Obergeschoss der äussern Hallen. Die Bogen sind reine Spitzbogen und ihre Gliederung ähnlich, nur etwas lebhafter profilirt, als an den äussern Fenstern des Ueberbaues, so dass sie fast denen des äussern Untergeschosses gleichen. Das Mauerwerk des Ueberbaues an dieser Hofseite ist ebenso, wie aussen, mit Ausnahme der Fenster, die später eingesetzt sind.
Als nun diese Theile, allerdings nicht in ihrer jetzigen Form, vollendet waren oder wenigstens ihrer Vollendung naheten, begannen die Arbeiten an der Porta della Charta (s. S. 253). Dieses Prachtwerk, jedenfalls das eleganteste und sorgfältigst ausgeführte, ja wohl auch das beste Werk unserer Meister, ist allerdings vielfach überschätzt, ja in dieser Ueberschätzung sogar den besten Arbeiten jenes Zeitalters an die Seite gestellt worden. Obgleich nun die ganze decorative Arbeit, sowie die Ausführ[u]ng sämmtlicher Details ganz vorzüglich und das Material sehr edel ist, so ist doch an der eigentlich architectonischen Anordnung und den Verhältnissen so Manches auszusetzen. Eine vollständige Beschreibung des ganzen Portalbaues hier zu geben, ist ohne Abbildung in grossem Maassstabe eine sehr missliche Sache, auch wohl nicht nöthig, da derselbe hinlänglich bekannt und häufig abgebildet ist; nur Folgendes sei gesagt, um denjenigen unserer Leser, die gerade keine Abbildung zur Hand haben, die Hauptsachen in's Gedächtniss zurückzurufen. Die Thür selbst ist scheitrecht, hat ziemlich schwerfällige Verhältnisse, zu schmale, dabei aber ziemlich rein gothische Gewändglieder, die sich am Sturz fortsetzen und mit einem Friess umgeben sind, in dem von Zeit zu Zeit Löwenköpfchen sitzen, umzogen von einem kreisförmigen Medaillon. Die. Zwischenfelderchen zwischen diesen Medaillons sind mit weissem Marmor eingelegt und darin wieder Blumen mit buntem Stein. Dieser ganze Friess ist nach Anordnung und Formgebung nicht mehr gothisch. Ueber der Thür zieht sich ein Gurtsims hin mit zwei Reihen sehr kraus, fast wild bewegter Blätter. Dann

 

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