Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 272 274

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palastes Anwendung erleiden, wird der Leser aus nachstehender Zusammenstellung derselben ersehen und beurtheilen können. In dieser Zusammenstellung, resp. Erklärung der symbolischen Darstellungen richten wir uns genau nach Selvatico, und nennen denselben als unsern Gewährsmann, beginnen auch, gleich ihm, die Rundschau an den Ecken bei der Ponte della Paglia.
Das 1. Capitäl ist zum grössten Theil vermauert, blos eine Seite des krausen Blattwerks und eine weibliche Figur mit einer grossen Scheere in der Hand, ragen aus der Vermauerung vor; Selvatico glaubt darin eine Darstellung der Verleumdung zu finden.
Am 2. sind Pelikane angebracht, welche Fische verschlingen; ob sie auch in dieser Stellung als Allegorie der Vaterliebe der Rathspersonen gelten sollen, lässt Selvatico unentschieden.
Am 3. Köpfe von Frauen mit Diademen und Männer mit Helmen (Anspielung auf die höchsten Classen der Gesellschaft). Beim 4. endlich, welches halbe Kinderfiguren enthält, die aus dem Blattwerk herauswachsen, gesteht Selvatico zu, dass hier wohl keine Symbolik zu Grunde liegen möchte, was uns aber bei allen bisher aufgeführten der Fall zu sein scheint.
Das 5. trägt, laut Inschrift, die Bildnisse römischer Kaiser, lesen kann man nur noch die Namen von Augustus, Titus, Vespasian und Trajan.
Das 6. trägt geputzte weibliche Köpfe, jedenfalls als Zierde und nicht, wie Selvatico sagt, um zu zeigen, wie sehr man die schönen Frauen ehre.
Nr. 7. Tugenden und Laster abwechselnd, um zu zeigen, wie im Menschen das Gute selten ganz rein von schlechten Beweggründen ist.
Nr. 8. Ein Jüngling spielt auf der Violine, ein anderer auf der Guitarre, sechs Thiermenschen hören zu; Macht der physischen und moralischen Harmonie, welche selbst die wildesten Naturen zum Guten geneigt macht und zähmt.
Nr. 9. Die Tugenden, welche den Menschen am nöthigsten sind: Glaube, Stärke, Mässigung, Humanität, Mitleid, Gerechtigkeit, Klugheit und Hoffnung; über jedem eine kurze Inschrift.
Nr. 10. Die Laster: Schwelgerei, Neid, Lüsternheit, Stolz, Zorn, Geiz, Trägheit,
Nr. 11. Pelikane oder Kraniche, nicht mehr gut zu erkennen. Nr. 12 wie Nr. 7, d. h. Tugenden und Laster abwechselnd. Nr. 13. Löwenköpfe.

 

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