Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 236 238

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Aus dem uns zu Gebote stehenden Vorrath von Zeichnungen, die Cá d'oro betreffend, werden wir weiter unten unsern Lesern bei analytischer Betrachtung der Stylformen jener Zeit noch einige Details vorführen , welche, zusammengehalten mit der Darstellung in Rombergs Bauzeitung, in der wenigstens die Verhältnisse beim Copiren der Zeichnung nicht haben verdorben werden können, ein ziemlich genaues Bild dieses zwar nicht ganz stylreinen, jedenfalls aber mehr als wohlgefällig, ja beinahe möchte man sagen bezaubernd wirkenden Bauwerks liefern werden.
Der bereits erwähnte schmale Flügel, den der Pal. Contarini-Fasan dem grossen Kanal zukehrt und welchen die Fremdenführer consequent als Haus der Desdemona bezeichnen, contrastirt in vielen Stücken geradezu mit der Cá d'oro. Während jene ganz mit Marmor bekleidet war, zeigt dieser Ziegelrohbau mit Eckverstärkungen aus Quadern und einige wenige kaum noch erkennbare Spuren von Bemalung. Während jene namentlich im Fenstermaasswerk und Hauptsims germanische Elemente zeigte, beschränken sich dieselben hier auf die Balkonbrüstungen etc.
Das Gebäude selbst scheint, wie wir schon oben erwähnten, aus dem 14. Jahrhundert zu sein, die bedeutend gestelzten Bogen mit verhältnissmässig kleiner Schneppe, grossen Blumen und winkelrechtem Doppelzahnschnitt deuten darauf hin. Das Parterre nebst Mezzana ist modernisirt; das erste Hauptgeschoss enthält einen dreitheiligen Pergolo, das zweite zwei Balkonfenster gerade über den Aussentheilen des Pergolo, in der Mitte ein hochsitzendes Quadratfenster, darunter ein Wappen mit eleganter, gemalt gewesener Einfassung. Vor dem Pergolo nun und vor dem Balkonfenster sind Balkons, welche jedenfalls später als das Haus selbst entstanden sind; ihre Brüstungsfenster sind mit fünfschneussigen Rosetten ausgefüllt, welche fast deutsch-gothische Behandlung zeigen, während die Pfeilerchen, welche zwischen je zwei solchen Feldern stehen, mit spät italienisch-gothischem Rankenwerk ausgefüllt sind; der über jedem Pfeilerchen sich verkröpfende Brüstungssims hingegen ist ganz nach venetianisch-gothischem Typus mit stehendem krausen Blattwerk besetzt, gleich den Gurtsimsen, welche jedoch da, wo sie als Balkonplatten auftreten, bedeutend schwülstiger sind, als an der rückliegenden Front selbst. Die Consolen, auf denen diese Balkons ruhen, zeigen zwar in der Gestaltung ihres Blattwerks noch mittelalterliche Formen, die Anordnung derselben aber gemahnt gleich jenem Rankenwerk in den Pfeilern der Brüstungen schon lebhaft an die Renaissance, deren Einwirkung noch mächtiger in dem Hauptsims auftritt, welcher zwar auf noch ganz mittelalterlichen Löwenkopfconsolen ruht, unter seinen Gliederungen aber Eierstab und Carniess aufweist, so dass man wohl zu dem Schluss be-

 

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