Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 218 220

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gefüllt, wie beim Dogenpalast, die beiden Eckfenster haben nach der Vorderfaçade und der betreffenden Seitenfaçade je einen Bogen mit den dazu gehörigen zwei halben Kreisen, welche sich nach der Ecke zu an einer gewundenen Säule todt laufen. Das Eckfenster links vom Beschauer geben wir unsern Lesern zugleich als Beispiel der Maasswerksanordnung in Fig. 61. Das Eckfenster rechts vom Beschauer ist ebenso, nur hat es statt der Säule einen Pfeiler, an dessen Ecke sich das gewundene Säulchen herabzieht bis auf den Fussboden und der Balkon ladet blos nach vorn aus.
Palazzo Cavalli alle poste, unmittelbar neben dem Postgebäude am grossen Kanal, hat einen sechstheiligen Portego ohne die an der Casa dei Mori bemerkte Unregelmässigkeit und von sehr schönen Verhältnissen; die Höhe der Säulen sammt Capitäl und Fuss beträgt etwas über einundeinhalbmal so viel als die des Maasswerks, die Capitäle sind vollständig ausgebildet nach dem Typus, von dem wir später ein Beispiel vorführen werden, zu jeder Seite des Portego steht ein Fenster, dessen Pfeiler und Maasswerk gleich dem ganzen Portego von einem Doppelzahnschnitt umzogen sind; an dem breiten Pfeiler zwischen diesem Fenster und dem Portego hängen Wappen mit sehr schönen Gewandüberhängen, aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts. Leider ist aber blos das erste Geschoss in seiner ursprünglichen Schönheit erhalten, die ganzen übrigen Theile der Façade, selbst die Balkons, sind in kahle Renaissanceformen umgeändert worden.
Wie gern man selbst an schon der Vollendung nahen Gebäuden noch solches Maasswerk anbrachte, das geht recht anschaulich aus der Façade des bereits S. 67 erwähnten Hauses neben der Cá d'oro hervor; dieses hat nämlich in dem zweiten Hauptgeschoss einen viertheiligen Pergolo mit dreitheiligen Bogen (Schneppenbogen) mit bündigen Nasen, also nach dem Typus der letzten Zeit des 13. Jahrhunderts, daneben zwei Fenster nach der Manier der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, mit Balkons, Scheiben und Zahnschnitteinfassung. Auf den Pergolo selbst aber ist eine Reihe von vier Kreisen mit durchbrochenen Vierblättern gelegt, welche sammt dem Pergolo mit einem gemalten Ornamentenstreifen umgeben ist, an welche sich ein horizontal fortlaufender Ornamentenstreifen (gelb auf roth gemalt) anschliesst, über dem eine Reihe Kreisrosetten gemalt gewesen sind, während die ganze Mauerfläche des zweiten Geschosses mit einem Netzwerk von schief stehenden spitzen Vierblättern bemalt war, in welchen Farben, das kann man nicht mehr genau erkennen, doch scheint, der Grund braun oder roth, die Stäbe gelb oder grau gewesen zu sein.
Der Palast Durazzo hat dasselbe Maasswerk im Pergolo.

 

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