Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 212 214

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geschlossen, die beiden Seitenöffnungen aber haben Balkons auf Consolen mit reichem Blattwerk, deren hohe Brüstung dem gewöhnlichen Typus folgt. Die Seitenfenster sind etwas schmäler als die Oeffnungen der Mittelhalle und haben niedrige Brüstungen, denen sehr schön gearbeitete und äusserst mannichfach bewegte Löwenköpfe als Consolen dienen; diese Brüstungsplatten sind gleich dem Gurtsims mit freiem Blattwerk belegt. Zwischen diesen Seitenfenstern sitzen kleinere hochgestellte Fenster, der Balkengurtsims der zweiten Etage, welche im Ganzen eine Wiederholung der ersten bildet und nur um ein weniges niedriger ist als diese, hat die Gestalt eines gewundenen Viertelstabes mit Plättchen; an den Ecken und auf der Mitte der Brüstungen etc. ist Blattwerk darüber gelegt; das dritte Geschoss, welches kaum 3 M. hoch ist, ist sehr einfach und hat ziemlich gedrückte Verhältnisse; beide Ecken der Façade sind zwischen den Gurtsimsen mit Ecksäulchen besetzt, Fenster und Portego der beiden Hauptgeschosse haben die gewöhnliche winkelrechte Einfassung.
Die Räume nun zwischen dieser Einfassung und den Eselsrücken sind durch ornamentale Malerei ausgefüllt und zwar in der Art, dass die Ranken der Ornamente zu den Seiten der Blumen herauswachsen und sich abwärts biegen. Statt der von Marmor eingesetzten Scheiben an den Façaden sind hier im ersten Geschoss rautenförmige, im zweiten kreisrunde Räume leer gelassen und mit einem schmalen weissen Rand umzogen, während die Ornamente gelb auf dunkelrothem Grunde ausgeführt und braun schattirt sind. Zwischen den Seitenfenstern unter den oben erwähnten hochstehenden Quadratfenstern scheinen auch noch ornamentirte Felder gemalt gewesen zu sein, doch sind diese Stellen leider so sehr verwittert, dass sich darüber etwas Bestimmtes nicht behaupten lässt; so viel man an den übrigen Stellen noch erkennen kann, bestanden sämmtliche Malereien blos aus Ornamentenranken, ohne figürliche Zuthat; die Ranken selbst sind sehr locker und die daran hängenden Blätter locker und luftig, lebhaft bewegt und mit vielen Umschlägen versehen. Ihre Zacken und Augen ähneln jedoch nicht dem deutsch-gothischen Blattwerk, sondern mehr dem Akanthus, gleich jenem auf den Giebeln der Markuskirche, die wir bald kennen lernen werden. Der Palast Badoer - Partecipazio, genannt Palazzo de la colomba, wegen eines über der Mitte des Hauptportego eingesetzten Vogels, ist in Anordnung und Verhältnissen sehr unregelmässig; er ist einer der wenigen mittelalterlichen Paläste, die ein Treppenhaus nach jetzt gebräuchlicher Art im Gebäude selbst haben; er hat unterirdische Gefängnisse; die Façade scheint mannichfache Veränderungen erlitten zu haben. Dabei hat man nun die alten Malereien nicht vertilgt, wohl aber die

 

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