S. 187
Das häufige Vorkommen der Benennung
tagliapietra mit blossem Vornamen davor (das Weglassen der Familiennamen findet sich in jener Zeit sehr häufig) hat nun viele Kunsthistoriker veranlasst, dieses Wort
Tagliapietra für den Namen einer weit verzweigten Künstlerfamilie zu halten. O ja, es war eine Familie, aber in geistiger Beziehung nur.
1343 wurde der Doge
Gradenigo bei
P Fig. 45 in dem Vestibule von
S. Marco begraben; dieses Grab ist nun insofern merkwürdig, als es den Anfang des Baues dieses Vestibulflügels bezeichnet.
Die in der Steinmetzbrüderschaft Venedigs gebildeten Meister scheinen übrigens auch im Ausland ziemlich gesucht gewesen zu sein; so lieferte einer derselben,
Lanfrani, die Zeichnung zu der Façade der Kirche
S. Francesco in Imola und vollendete 1343 die Basreliefs am Hauptportal dieses Gebäudes, welches leider neuerlich einem hässlichen Theater hat weichen müssen. Dann ging er nach Bologna und arbeitete dort bis 1347 an dem Monument des
Taddeo Pepolo in
S. Domenigo, welches durch seine Ausarbeitung und naturgemässe Composition bei eleganter, nicht conventioneller Anordnung alle Achtung vor dem Meister einflösst, der sogleich nach Vollendung dieses Werks nach Imola zurückkehrte und daselbst die Kirche
S. Antonio begann, welche 1394 beendet, jetzt abgebrochen ist.
1344 soll ein venetianischer Meister,
Paolo, mit seinen zwei Söhnen
Luca und
Giovanni die Rückseite der Pala d'oro gemalt haben (es sind 14 Abtheilungen, Gemälde auf Goldgrund) und viele glauben in diesen zwei Söhnen die Brüder
dalle Masegne wiedererkennen zu müssen; in wie weit dies begründet sein kann, wird der geneigte Leser selbst beurtheilen, da wir bald auf diese
Masegne zurückkommen werden. Im Jahr 1345 ward abermals oder vielleicht noch an der Verschönerung der
Pala d'oro gearbeitet und zwar scheint uns aus dieser Periode der aus vergoldetem Kupfer bestehende Schrein zu stammen, so viel man wenigstens aus dem Styl der Relieffiguren desselben schliessen darf.
Aus demselben Jahr stammen die Reliefs an der Thür der
Scuola della Carità, auf welche wir bei Betrachtung des Gebäudes selbst zurückkommen , wo wir auch von den an Gebäuden als deren untrennbare Theile angebrachten Sculpturen jener Zeit reden werden.
Aus dem Jahre 1347 stehen in
S. Giovanni e Paolo zwei Grabdenkmäler, welche von dem Typus der eben besprochenen in etwas abweichen; die Sarkophage, welche die Hüllen von
Marco Giustiniano und
Andrea Morosini (Maurozeno) bergen, sind nicht gleich jenen mit einer liegenden Statue des Verstorbenen geziert. Auch diese Form werden wir wiederkehren sehen, obgleich selten so einfach und roh wie diese beiden.