Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 185 187

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es das Servitenkloster (aï Servi) gewesen sein; dem sei nun wie ihm wolle; das Grabmal ist nicht mehr in Venedig, sondern in Meren bei Canegliano, wohin es die Nachkommen des Todten schaffen Hessen; es hat bei diesem Transport mannichfach gelitten und lässt sich eben nur noch sagen, dass es denselben Typus trägt, wie das eben beschriebene, ja vielleicht von demselben Künstler ausgeführt zu sein scheint.
Zu jener Zeit scheinen die eigentlichen Bauarbeiten an dem Hauptgebäude der Ca grande di Frari beendigt worden zu sein, wenigstens findet sich in einigen Chronisten die allerdings documentarisch nicht verbürgte Nachricht, dass sie 1338 durch Scipione Buono vollendet worden seien, den wir allerdings anderweit nicht erwähnt finden, vielleicht liegt eine Verwechselung des Vornamens vor, denn die Künstlerfamilie Buono war damals zwar noch nicht in voller Blüthe, jedenfalls aber schon im Aufblühen begriffen.
Ungleich roher, als die eben besprochenen Grabmäler nun ist eine in Basrelief ausgehauene Madonna in dem Kreuzgang der Kirche aï Carmini, welche die Unterschrift trägt: Arduino Taja pietra 1340. Eine wahrscheinlich gleichzeitige Brunnenöffnung auf dem Campo dell Arcangelo Raffaello trägt den Namen Marco Arian... j...p..ra, jedenfalls auch Tajapietra; nun könnte man zwar glauben, dass diese Leute eben gewöhnliche Steinmetzen, die Verfertiger jener Arbeiten aber Bildhauer gewesen seien. Es wurde aber im Mittelalter bekanntlich kein Unterschied zwischen Steinmetz und Bildhauer, wenigstens in Bezug auf ihre bürgerliche Stellung, gemacht. Jeder, der in Stein arbeiten wollte, musste Mitglied der Steinmetzgenossenschaft sein und durfte nicht eher selbstständig Arbeiten übernehmen, bis er das Meisterrecht erworben hatte, wodurch er dann erst die Befugniss erhielt, sich Steinmetz (ital. tagliapietrd) venetianisch tajapiera, zu nennen, so dass die Verfertiger jener rohen Arbeiten der Innung gegenüber ebenso hoch standen, als die Künstler, welche die nun bald zu betrachtenden Meisterwerke fertigten und sich auf denselben ebenfalls tajapiera nannten, woraus bei dem wohlbekannten und wohlbegründeten Stolz dieser Leute der Schluss zu ziehen ist, dass dieses Prädicat als ein sehr ehrenvolles betrachtet wurde. Diese Steinmetzverbrüderungen hatten jedenfalls eine ganz ähnliche Constitution, als ihre Schwestern in Deutschland; und durch diese Aehnlichkeit erklärt sich auch der Mangel an Nachrichten über Architectennamen, denn die Architecten jener Zeit gehörten eben auch der Steinmetzverbrüderung an; damals war noch nicht, wie leider jetzt, entwerfende und ausübende Kunst von einander getrennt, Bildhauerei und Architectur waren so eng verschwistert, dass sie getrennt zu betrachten kaum möglich ist.

 

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