Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 168 170

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die Spitzbogen hineinschieben, während bei der ganzen Anordnung der Hauptanlage von S. Antonio unleugbar die Markuskirche als Vorbild benutzt worden ist, hier und da sogar zum Nachtheil des Ganzen, während Nicolà Pisano in dieser ganzen Kirche gezeigt hat, dass er die ihm bekannten Spitzbogenformen nicht zu verarbeiten, sich nicht von spätromanischen Dispositionen zu trennen vermochte, soll er die beiden Kirchen aï Frari und S. Giovanni e Paolo in Venedig noch vor S. Antonio entworfen haben ?
Dies erscheint dem Beschauer dieser Kirchen kaum möglich, denn sie zeigen nicht nur im Grundriss, sondern namentlich in der Anlage und Entwicklung der Façaden ein ziemlich consequentes Lossagen von
der Horizontalen und ein entschiedenes Hinneigen zur deutschen Auffassung der Gothik, eine vollständige Freiheit von Einflüssen des Orients, so dass man eher geneigt sein könnte, anzunehmen, der Architect, der sie entworfen, sei in Deutschland gebildet gewesen. Unter den Bauten der Pisaner Schule zeigen eine ähnliche Richtung nur solche Gebäude, die nach Nicolà's Tod begonnen wurden, z. B. Sa. Croce und Sa. Maria novella in Florenz, beide um 1280 erst begonnen, wo die Kirche aï Frari schon benutzt wurde. Doch schreiten wir nun zur Betrachtung derselben. Ihr Grundriss ist ähnlich disponirt, wie der so vieler Franziskanerkirchen derselben und etwas späterer Zeit (wir geben ihn unsern
Liesern in Fig. 53). Daraus ist auf einen von den Franziskanern angenommenen Typus für Kirchenanlagen zu schliessen und vielleicht erstreckte sich der Einfluss der Mönche auf den Bau, nicht blos auf die Disposition des Grundrisses; anderwärts finden wir mehrfach Franziskaner als Architecten erwähnt und es ist also wohl möglich, dass auch hier einer der Mönche den Entwurf zur Kirche lieferte und der eigentliche Bau schon begonnen war (wie dies ja gewöhnlich der Fall ist), als im Jahr 1250 der Cardinal Octavian den Grundstein mit grosser Feierlichkeit in Gegenwart von drei Bischöfen legte; jedenfalls ist anzunehmen, dass der Pfahlrost schon vor dieser Feierlichkeit ge-

 

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