Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 163 165

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draten, Durchschlingungen von Cycloiden und Epicycloiden, diese Netzwerke aller Art von grosser Fertigkeit in Handhabung des Cirkels, manche auch von gutem Farbensinn. Einzelne dieser Sterne, Durchsteckungen und Durchkreuzungen stehen vollständig in Harmonie mit den in Fig. 47 gegebenen Capitäl- und den Mosaikverzierungen einiger Gurtbogen in der Vorhalle und einiger kleinen Kuppeln, die ebenfalls aus Sternen bestehen, entstanden durch Durchsteckungen, Verknotungen und Verschlingungen von Goldstreifen auf weissem oder blauem Grunde, und welche wahrscheinlich auch aus jener Zeit stammen.
Für etwas später halten wir diejenigen Felder des Fussbodens, in denen Blattwerk und Gestalten vorkommen, also Darstellungen, die eigentlich zum Charakter eines Fussbodenmosaiks nicht passen.
Dahin gehören unter Anderen die beiden Hähne, die auf einer Stange einen Wolf gebunden tragen, die Löwen mit Drachen kämpfend, die schwimmenden oder ausgestreckten Löwen, der lauteschlagende Jüngling (im rechten Seitenschiff) etc., welche alle den Beschauer in Versuchung führen, sie symbolisch zu deuten.
Die Künstler, welche an diesen Mosaiken arbeiteten, gehörten zu der Zunft der Maler, welche im Jahr 1147 das Recht erhielt, ihre Fahne auf dem Campo S. Luca aufzupflanzen; die Nachrichten über die Entstehung etc. dieser Malerzunft sind nicht ganz klar, und widersprechen einander. Sie lassen sich kaum anders vereinigen, als wenn man annimmt, dass schon früher griechische Maler (vielleicht Byzantiner) in Venedig eine Brüderschaft etablirten, die heilige Sophie zu ihrer Schutzpatronin erwählten, und in dem Haus neben der 1020 erbauten Sophienkirche ihr Innungslocal hatten. Später hatten sich dann so viel Einheimische als Maler ausgebildet, dass sie auch eine Malerzunft gründeten, welche den heiligen Lucas zu ihrem Schutzpatron erwählte, und ihre Versammlungen zunächst in der Kirche S. Filipe e Giacomo hielten, bis ihnen die Kirche S. Luca eingeräumt ward, und sie endlich 1376 auch ihre Schule zu jener Kirche verlegten.
Die ältere byzantinische Schule bestand daneben noch fort, scheint aber mit der Zeit eher Rück- als Fortschritte gemacht zu haben, und ist endlich zu einer Zunft von Anstreichern etc. herabgesunken, welche noch jetzt in dem Hause bei Sa. Sofia ihre Versammlungen hält und ihr Archiv aufbewahrt; das Haus wurde 1532 aus einem Vermächtniss des 1530 verstorbenen Malers Catena neu und stattlich aufgebaut. Zwischen diesen beiden neben einander bestehenden Gilden scheinen namentlich anfangs viele Rangstreitigkeiten geherrscht zu haben, so dass schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts sich die Behörden ins Mittel schlagen mussten. 1429 wiederholte sich dies, und 1436 hielt

 

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