Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 139 141

S. 140

abermals von Holz aufgeführt wurde; er wird auch als Erfinder (vielleicht auch blos erster Anwender in Venedig) der Aufzugskästen mit Flaschenzügen genannt, die er beim Bau der Marcuskirche in Gebrauch nahm, wo er als Werkmeister fungirte, so dass es leicht möglich ist, dass das Baptisterium von ihm begonnen wurde.
Er soll auch eine Schule von Mathematikern und Architekten herangebildet haben, so dass wohl zu vermuthen steht, dass viele öffentliche und Privatbauwerke des 12. und 13. Jahrhunderts von ihm und seinen Schülern herrühren, sowie wahrscheinlich auch die wenigen noch erhaltenen , also von Anfang an solid gebauten Brücken byzantinischen Styls, die man hier und da noch sieht; ihre Geländer stellen kleine säulengetragene Arcaden mit überhobenen Rundbogen dar und tragen in der Bogenform, sowie in den Formen der allerdings in der Regel sehr einfachen Kapitälchen ganz das Gepräge jener Zeit.
Durch die ums Jahr 1130 von den Paduanern versuchte Abdämmung der Brenta bei S. Ilario wurde man darauf aufmerksam gemacht, dass es gut sei, sich nicht zu sehr auf die Zufuhr von Trinkwasser von dorther zu verlassen, sondern in der Stadt selbst für den nötbigen Vorrath zu sorgen. Man fing daher an, die Zahl der Cisternen bedeutend zu vermehren. Daher kommt es, dass aus jener Periode uns verhältnismässig sehr viele Brunnenmündungen (bocche di pozzo) erhalten sind. Diese Brunnenöffnungen nun scheinen ganz besonders die Sorgfalt der Künstler in Anspruch genommen zu haben; ganz eigentümlich ist ihre Gestaltung. Bekanntlich bestanden die Cisternenöffnungen der Römer, soweit man aus den in Pompeji aufgefundenen zahlreichen Exemplaren schliessen kann, fast immer in einem kreisförmigen hohlen Körper, der bei weitem schmaler als hoch war, in der Regel sich nach oben verjüngte und mit einem Fuss und Decksimschen von sehr feiner Profilirung versehen war. Die Decoration bestand aus Blumengewinden, Figuren oder Cannelirungen. Man hat marmorne und thönerne gefunden, alle aber sind in den Wänden sehr schwach, fast alle oben schmaler wie unten und mit einem schmalen Rand oben versehen. In Venedig hingegen ist die Mehrzahl oben bedeutend breiter als unten; sie sind in der Regel 21/2 hoch und die Oeffnung beträgt ohngefähr 11/2 bis 2', da aber die Wände bedeutend stärker sind, als bei den Römischen, so ist in der Regel das Ganze breiter als hoch; nur wenige, und das scheinen die ältesten zu sein, sind ganz rund, und darunter schienen uns namentlich zwei wegen ihrer eigenthümlichen Verzierungsweise bemerkenswerth; die eine steht in dem Hofe eines Privathauses in der Nähe von der Kirche S. Moïse; sie hat Rinnen-Cannelirungen mit sehr breiten Stegen, die in der Mitte gespalten sind, die

 

Impressum Venedig