Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 111 113

S. 112

benutzten die Abwesenheit der Flotte zu einem Angriff auf Venedig, wurden aber zurückgeschlagen; glücklicher waren die Ungarn, deren König die Venetianer unter den Mauern von Zara schlug und sie fünf Jahre lang in Schach hielt.
Kurz nach Beginn dieses Kampfes brach in dem Hause des Enrico Zeno eine Feuersbrunst aus, welche in der damals noch zum grössten Theil aus Holz gebauten Stadt mit rasender Schnelligkeit um sich griff und sechs Strassen mit mehreren Kirchen in Asche legte. Noch rauchten die Trümmer, als zum zweiten Male im Hause Zancani Feuer ausbrach und das entzügelte Element seine sengenden Arme um die unglückliche Stadt schlang; diesmal wurden 22 Kirchen und die Häuser von 16 Inseln, d. h. damals vom dritten Theil Venedigs, in Asche gelegt, von S. Lorenzo bis S. Basso hin war die Stadt in Trümmer und rauchende Schutthaufen verwandelt, ja selbst ein Theil des Dogenpalastes war mit abgebrannt.
In diesem Brande um 1112 ist die Ursache zu suchen, warum in dem erwähnten Stadttheile so wenig Gebäude aus dem frühen Mittelalter erhalten sind, warum wir auch verhältnissmässig wenig Privatbauten aus dem 12. Jahrhundert haben; der Italiener wird nie gleich dem Deutschen eine abgebrannte Stadt schnell und auf derselben Stelle wieder aufbauen, er behilft sich lieber eine Zeitlang elend oder zieht an einen andern Ort. Dies sehen wir an den Bewohnern von Malamocco, welches zugleich mit Venedig abbrannte und nach kaum gelöschtem Brande von einer Springfluth total überschwemmt ward. In panischem Schrecken zerstreuten sich die Einwohner nach den benachbarten Inseln und Malamocco's Trümmerhaufen wurden höchstens noch als Steinbrüche benutzt. Die meisten der Privatleute bauten sich mit Hülfe der aus Malamocco gewonnenen Steine und Säulen auf Chioggia an; die Mönche von S. Hilario auf Malamocco siedelten nach S. Servolo über. Die Gradenigi bauten das in Malamocco verbrannte Nonnenkloster S. Cipriano nebst einer Kirche gleichen Namens in Murano wieder auf (1114); die Badoer bauten das baufällige Kloster Sa. Croce di Venezia in Luprio 1115 für die Mönche von Clunî wieder auf. Der Bischofssitz von Malamocco wurde nach Chioggia verlegt, Venedigs eingeäscherte Stadttheile aber wurden regelmässiger angelegt.
An der Stelle der hölzernen Umfassungswände erhielten die neuen Häuser sämmtlich Mauern von Ziegel, deren grössere Last eine bessere Construction der Roste herbeiführte; bis dahin hatte man nämlich blos Pfahlroste geschlagen, nun aber wurde das Rostsystem eingeführt, welches noch bis heute im Gebrauch ist; hier ist es vielleicht am Orte, eine kleine Zusammenstellung der "Wohnhausdispositionen Venedigs, wie sie sich nach und nach zu der von nun an fast stereotypen Form umgestalteten, zu geben.

 

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