San Giorgio Maggiore

 


Die Fassade im Jahre 2006

Die Fassade im Jahre 2006

Beschreibung

Die Kirche ersetzt einen mittelalterlichen Vorgängerbau ohne Querhaus, der noch auf der Ansicht "Venetie MD" zu erkennen ist. 1565 wurde ein Modell angefertigt, und Andrea Palladio wird in den Dokumenten erwähnt. Die Grundsteinlegung erfolgte am 13.03.1566. 1579 war der Neubau wohl weitgehend fertig, da die translatio der Reliquien des Hl. Stephanus genehmigt wurde. 1592-1594 entstanden Sakristei, Hauptaltar und Nebenaltäre.
Gegenüber dem Vorgängerbau wurde die Kirche leicht gedreht; die These, San Giorgio Maggiore sei vormals zur Giudecca orientiert und von Palladio auf die Punta della Dogana ausgerichtet worden, scheint nicht haltbar. Der Grundriß basiert auf einem lateinischem Kreuz. Das dreijochige Langhaus weist ein schmales Vorjoch auf; die sechs Kapellen der Seitenschiffe besitzen nur eine geringe Tiefe. Die einjochigen Querhausarme enden in Apsiden. An die überkuppelte quadratische Vierung schließt ein Presbyterium an. Der Mönchschor ist vermittels einer Säulenstellung räumlich abgetrennt.
Langhaus- und Querhaus weisen Halbsäulen und das Presbyteriums Vollsäulen auf. An den Ecken der Vierungspfeiler angebrachte Wandvorlagen gehen in den Tambour der Kuppel über. Die Belichtung erfolgt durch Thermenfenster, doch sind die äußeren Kompartimente im ersten und dritten Joch des Langhauses vermauert. Dies ist bereits aus einer frühen Ansicht der Kirche zu erkennen.
Der erst nach Palladios Tod 1584-1589 ausgeführte Mönchschor wird durch einen erhöhten Fußboden abgesetzt und weist neun Ädikulafenster auf.
Für die Schauseite, die erst nach dem Tod Palladios ausgeführt wurde, war das Modell des Architekten verpflichtend. An der mit istrischem Kalkstein verkleideten Fassade bildet sich der basilikale Querschnitt ab. Vier auf hohen Plinthen ruhende kolossale Säulen mit kompositen Kapitellen gliedern den Mittelteil und leiten sich vom Portikus eines antiken Tempels ab. Die Postamente der beiden Monumentädikulen mit den Epitaphen der Dogen Sebastiano Ziani und Tribuno Memmo (deren Grabmale sich auch an der Fassade der alten Kirche befunden hatten) haben dieselbe Höhe wie jene der Kolossalordnung. Korinthische Pilaster befinden sich an den Kompartimenten der Seitenschiffe. Es ist möglich, daß die mit doppelter Rahmung versehenen Statuennischen von Palladio ursprünglich kleiner vorgesehen waren.

Kunstwerke

Unter den Kunstwerken im Innern von San Giorgio Maggiore sind besonders zwei Werke von Jacopo Tintoretto - Das letzte Abendmahl und Der Mannaregen - hervorzuheben. Von Baldassare Longhena stammt das 1667 errichtete Grabmal für den Prokurator Lorenzo Venier († 1625), für das der Bestattete 1100 Dukaten hinterlassen hatte 1.

Städtebau

Noch im frühen 17. Jahrhundert wollte der Abt des Klosters San Giorgio Maggiore Gebäude vor der Fassade errichten. 1609 zwang der Doge Leonardo Donà, der schon als Prokurator des Benediktinerklosters 1599 eine wichtige Rolle bei der Errichtung der palladianischen Fassade spielte, die Benediktiner von San Giorgio, alle Bauten (case de canton) vor der Fassade abzureißen, um einen besseren Blick auf diese zu erlauben. Donà ist auch an der Innenseite der Fassade von San Giorgio Maggiore begraben.
Der Campanile stammt aus dem Jahre 1791. Sein Vorgänger aus dem 15. Jh. war 1774 eingestürzt.
Die These von Temanza, Palladio habe die Fassade auf San Marco ausgerichtet, erscheint nicht wahrscheinlich 2. "Erst durch die Palladiokirchen S. Giorgio, Zitelle und Redentore wurden die Isola di San Giorgio und die Giudecca, deren Kirchen sich bis dahin nicht Richtung Venedig orientiert hatten, auf die Stadt ausgerichtet, und erst durch diese Bauten bildete sich die in der Geschichte des Städtebaus so völlig neuartige Konfiguration aus Wasser, Himmel, Inseln und Architektur." 3

Kloster

Mit der 1645 errichteten zweiläufigen Prunktreppe, welche zur Wohnung des Abtes führt, und der 1671 vollendeten Bibliothek besitzt das Kloster von San Giorgio Maggiore bedeutende Werke des barocken Baumeisters Baldassare Longhena. Der Vorgängerbau der Bibliothek war von Michelozzo di Bartolomeo 1433-1434 errichtet, aber 1569 durch einen Brand beschädigt und 1614 schließlich abgebrochen worden 4. Die 9,90 x 6,69 große "Hochzeit von Kanaa" des Paolo Veronese, welche einst die Stirnwand des großen Refektorium Palladios zierte, wurde nach dem Ende der Republik durch Napoleon als Beute in den Louvre verbracht, wo sie sich noch heute befindet. Anfang September 2007 wurde am originalen Ort eine technisch perfekte Kopie des Monumentalgemäldes enthüllt.

Restaurierungen

Kloster wie Kirche hatten unter der napoleonischen Besatzung schwer zu leiden. 1806 wurde San Giorgio Maggiore für den Kultus geschlossen und 1808 wieder geöffnet. Die Bibliotheksschränke wurden teilweise in die heute verlorene Kirche S. Caterina verbracht. 1815 wurde das Innere der Kirche unter der Leitung von Giuseppe Mezzani restauriert. Am 01.12.1799 begann der Konklave in San Giorgio Maggiore. Er endete am 14.03.1800 mit der Wahl von Pius VII. Der neue Papst mußte sich vom Fenster der Abtswohnung auf den Campo vor der Kirche aus präsentieren.
Der Klosterkomplex der Benediktiner erfuhr im 20. Jahrhundert im Rahmen der Umnutzung zum Sitz der Fondazione Cini tiefgreifende, teils purifizierende Restaurierungen. Bei der Restaurierung 1958 wurden im Inneren alle Architekturglieder hellgrau und die Wandflächen weiß gefaßt. Doch sind alle Pfeiler bis zur Höhe der Kolossalsockel in istrischem Stein und erst darüber in Backstein ausgeführt. Dies war bis zu jener Restaurierung auch farblich ablesbar, da der pietra d'istria dunkler erschien.
Nach neueren Erkenntnissen  5 wurde 1652 die Kirche offenbar innen geweißelt. Wie Longhena in einem Gutachten mitteilt, sollte das Weiß das Rot ersetzen, mit welchem vormals die Teile der Architektur wie Bogen gefaßt gewesen waren. Dies deckt sich mit Spuren roter Farbe, welche Mario Piana anläßlich der Restaurierung 1990 an den Bogen feststellte und widerspricht dem tradierten Bild eines rein weißen, "reinen" Innenraum.

Anmerkungen

1 Frank (2004), p. 351
2 Huse, Norbert: Palladio am Canal Grande, in: Städel Jahrbuch NF. VII, 1979 (pp. 61-99), p. 90
3 Huse, op.cit., p. 89
4 McAndrew, John. L'Architettura Veneziana del Primo Rinascimento. Venezia 1995, p. 14
5 Jestaz, Bertrand: Infidélités à Palladio : compléments à l'histoire de l'église San Giorgio Maggiore, in: Gaier, Martin: Der unbestechliche Blick, Trier 2005, pp. 465-469

Literatur

Timofiewitsch, Wladimir: Die sakrale Architektur Palladios, München 1968

 

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