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Trümmer der alten Weltstadt uns zeigen. Wenn man sich einen Begriff machen will von der Disposition, Formgebung etc. der Gebäude solcher nördlich gelegenen römischen Provinzialstädte, so dürfte man dafür vielleicht den besten Massstab in den Trümmern solcher Städte, wie
Arles, Brescia und
Sagunt finden, denn wohl höchstens
Aquileja dürfte sich mit
Nimes oder
Taragona haben messen können.
Die Dispositionen der Gebäude sind fast genau dieselben, wie in Rom, die Dimensionen natürlich mannichfach gemodelt durch die Einwohnerzahl und Grösse der Orte, die Marmorverkleidungen und Blattverzierungen langer laufender Architecturtheile sind entweder nicht vorhanden oder nicht mit feinem Gefühl angebracht, so dass der Eindruck, den solche Baue hervorbringen, der einer grossen Härte und Schroffheit ist, oder einer bäuerlichen Ueberladung bei mangelnder Grossartigkeit und Eleganz der Hauptformen, oder einer pedantischen Befolgung vitruvianischer Schönheitszwangsregeln, selten aber zeigt sich ein freier künstlerischer Schwung und die aus demselben hervorgehende zarte Harmonie der architectonischen Formen unter sich und mit den decorativen Theilen.
Mit den benachbarten Theilen Oberitaliens waren natürlich auch obenbenannte Städte den traurigen Folgen des immerwährenden Grenzkrieges zwischen den nordischen Stämmen und den immer schwächer werdenden römischen Kaisern ausgesetzt. Nach jedem Einfall, jeder theilweisen Zerstörung wurden nun wohl die öffentlichen Gebäude nothdürftig wieder hergestellt, aber in welcher Art und Weise diess geschehen mochte, das sehen wir am besten durch Betrachtung ähnlicher Erzeugnisse in der gewaltigen Weltstadt selbst, z.B. an dem ursprünglich durch Domitian gebauten, durch Vespasian wiederhergestellten, oder vielmehr traurig zusammengestoppelten Tempel des Vespasian, dessen eine Façade uns noch ziemlich vollständig erhalten ist am Fusse des Capitols zu Rom. (Es ist der jonische Tempel, der von Vielen fälschlich Concordientempel genannt wird.)
Bei solchem Zustande war es wohl schwerlich ein Verlust für die Kunst zu nennen, dass durch die Erhebung des Christenthums der schon halbtodte Organismus des heidnischen Göttersystems mit seinen Allegorien und Symbolen, mit seinen typisch gewordenen Darstellungen und dadurch herausgebildeten trocknen Kunstschematismus zu Grabe getragen wurde. Jetzt traten an die Stelle der heidnischen Bildner, die allerdings mit grosser technischer Tüchtigkeit, aber längst schon ohne Gefühl und Nachdenken dem alten Typus gefolgt waren und handwerksmässig nach den alten Regeln weiter gearbeitet hatten, ohne sich der Gründe dieser Regeln bewusst zu sein, Werkleute, die auf den gewal-