Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 23 25

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der Verfassung ist der Hauptgrund des Glanzes und der Macht Venedigs zu finden.
Doch lassen wir jetzt die allgemeine Geschichte und kehren wir zu unsern Flüchtlingen von 568 und 641 zurück.
Detaillirte Nachrichten haben wir nur über die Flucht der Altinaten.
Ein Theil derselben war nach Istrien, der zweite nach Ravenna und der Pentapolis geflohen, der dritte Theil, angeführt von den Tribunen Arius und Arator uud begleitet von den Priestern Gemignamus und Maurus floh in Kähnen, von Tauben, mit ihren Jungen im Schnabel geleitet und durch Erscheinungen und Stimmen vom Himmel ermuthigt, in die Lagunen. Nach langem Suchen landeten sie an dem höchsten Ufer, das sie vorfanden, suchten andre Leidensgefährten an sich zu ziehen und gründeten mit denselben einen Ort, den sie sogar mit kleinen Thürmchen umgaben und daher „torricellum" nannten, woraus später Torcello wurde.
Viele Kirchen und Klöster wurden nun hier und auf den umliegenden Inseln erbaut, unter andern das Kloster S. Margherita und S. Antonio und das Benedictinerinnenkloster S. Giovanni Evangelista, von Maurus gegründet. Es war so prachtvoll ausgestattet, dass Maria, die Nichte der Kaiser Basilius und Konstantinus, welche auf der Reise zu ihrem Bräutigam Giovanni Orseolo es besuchte, erklärte, sie habe niemals etwas Schöneres gesehen. Es bestand bis 1810, wo es wie all die andern Klöster aufgehoben wurde. Seitdem haben die dazu gehörigen Gebäude eigentlich nur als Steinbrüche gedient und jetzt sieht man blos noch einige wenige unförmliche Mauermassen.
So besteht denn von allen den Pracht- und Nutzbauten der Gründung Torcellos nichts mehr, ausser der Kathedrale, auf die wir nun näher eingehen wollen, da sie, in Torcello selbst erbaut, noch einige Ueberbleibsel von ihrer alten Construction zu bewahren scheint.
Der Chronist von Altino erzählt, dass sie, wie die andern Kirchen Torcellos, unter Arius und Arator, den damaligen Tribunen von Torcello, errichtet, zu Ehren Marias geweiht wurde, erhabene und kostbare Gestaltung erhielt und merkwürdig war durch das reichliche Licht, welches sie erhellte.
Man schmückte sie auch gleich mit der grössten Pracht, die die elenden Zeiten nur irgend gestatteten, namentlich das Pflaster, welches, „durchzogen mit ausgesuchten Einlagen in gewähltem Marmor und mit kreisähnlichen Figuren"1), wahrscheinlich mitten inne stand zwischen dem älterer römischer Basiliken und den des Doms von S. Marco.
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1) pavimentum Ecclesiae fecerunt Roda medium (sic) billisima operatione. Cron. Alt. pag. 56.

 

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