Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 238 240

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von Visentini nach Antonio Canale *) gestochen wurde, nicht geradschenklig, sondern geschweift gewesen sind, eine Form, der wir beim Dogenpalast, bei den spätem Zinnen etc. wieder begegnen werden; der untere Theil ist convex, dann folgt ein lothrechtes Stück und der obere Theil ist concav. Aus derselben Ansicht geht hervor, dass auf den Giebelspitzen Statuen, zwischen den Giebeln Tabernakel standen. Die Bogen ruhen auf schmalen Lisenen, welche, an die Hauptlisenen angesetzt, gegen dieselben etwas zurückstehen, so dass sich die Hauptlisenen fortsetzten und den Tabernakeln als Stütze dienten. Unter dem Mittelbogen steht eine grosse Rosette und ein Portal mit scheitrechter Oeffnung und Eselsrückenbogen darüber, mit einer grossen Blume bekrönt; dieses Portal ist streng venetianisch, ganz so, wie wir es an Palästen zahlreich gefunden haben. In den Seitenabtheilungen steht je ein schlankes Spitzbogenfenster, fast so schlank, als in der deutschen Gothik; die Gewände haben blos eine schroff einwärtsgehende Schräge, der Bogen aber ist auch auf der Stirnfläche verziert, hat jedoch kein Kämpfergesims. In dem Maasswerk dieser Fenster zeigt sich deutlich der Kampf der venetianischen Kunst gegen die aufstrebend schlanken Verhältnisse, welche durch germanischen Einfluss hervorgerufen scheinen ; in den Spitzbogen ist ein Rundbogen eingesetzt, der in zwei Spitzbogen getheilt ist; der Raum zwischen diesem Rundbogen und den Spitzbogenschluss des Fensters ist mit einer Vierblattrosette und zwei Dreiblättern ausgefüllt, die Spitzbogen haben Nasen; der Mittelpfosten und die Eckpfosten, welche dieses Maaswerk tragen, bestehen in zusammengestellten Rundstäben, oder vielmehr schwachen Säulchen, welche aber nicht in der ganzen Höhe durchgehen. Diese ist vielmehr zwischen Bogen und Sohlbank in fünf Theile gelheilt; der mittelste dieser fünf Theile ist mit Maasswerk (zwei Spitzbogen, darüber zwei Vierblattrosetten) ausgefüllt, die obern zwei, sowie die untern zwei nehmen jene Pfosten ein, welche Füsse, Capitäle und in der Mitte der Schafte Bänder mit gothischer Profilirung haben.
Am besten erhalten, obgleich theilweise hinter späteren Anbauen versteckt, ist der Chorschluss mit seinen drei Apsiden, deren mittlerer im halben Zehneck geschlossen ist und fast übertrieben schlanke Verhältnisse hat. An den Ecken stehen Lisenen, welche eine Reihe verschlungener Halbkreisbogen tragen, die theils auf dem Kämpfersims der Lisenen, theils auf dazwischenstehenden Consolen aufruhen und etwas unmotivirt um die Ecken herumgeführt sind; zwischen den Lisenen stehen Fenster, ebenso angeordnet, aber bei weitem schlanker, als die
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*) Urbis Venetiarum prospectus celebriores etc. Venetiis MDCCLI Taf. VI·

 

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