Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 237 239

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rechtigt ist, es sei an diesem Palast, sowie an manchem andern bis in das zweite Drittel des 15. Jahrhunderts gearbeitet worden. Ehe wir aber nun in Betrachtung der venetianischen Palastbauten bis zu den Zeiten weiter fortschreiten, wo die gothischen Formen nicht mehr siegreich neben den mit ihnen um den Vorrang streitenden Renaissanceformen auftreten, sondern hinter denselben zurückstehen müssen, haben wir zunächst noch die in der Blüthezeit mittelalterlicher Kunst in Venedig entstandenen kirchlichen Neubauten und das mit ihnen Zusammenhängende zu betrachten.
Wie bereits auf Seite 200 bemerkt, haben die Kirchenbauten nichts Aehnliches von S. Marco; sie folgen vielmehr dem Typus der mittelalterlichen Kirchen auf dem Festlande Italiens mit nur wenigen, eigentlich fast nur decorativen Abweichungen, welche man speciell venetianisch nennen kann. Von den venetianischen Kirchenbauten und der bei denselben vor herrschenden gothischen Ziegelarchitectur haben wir zuletzt Seite 183 und 184 gesprochen; der Bau der dort erwähnten Kirche S. Steffano Protom. und ihres Campaniles scheint uns, wie schon erwähnt, erst nach 1345 wieder aufgenommen worden zu sein; einige Jahre früher, 1342, wurde die Kirche S. Gregorio nebst zugehöriger Abtei erbaut; leider ist von diesem schönen Bau nur der hohe Chor und ein Theil der Westfaçade, sowie, ein kleiner Theil des schönen Kreuzgangs unangetastet geblieben. Das Innere wurde durch Balkenlagen etc. neuerdings gänzlich umgestaltet, indem man es zur Münzwerkstätte einrichtete. Die Disposition der Westfaçade weicht insofern von denen der bisher betrachteten Kirchen ab, als die Verticaltheilung in drei Abschnitte als Andeutung von Mittel- und Nebenschiffen, zwar beibehalten ist, nach oben aber nicht basilikenartig in einem Mittelgiebel mit zwei wesentlich niedrigeren Halbgiebeln abschliesst. Die die Abtheilungen trennenden Lisenen endigen nach oben in Tabernakeln, zwischen denen sich drei hohe Spitzgiebel erheben; bei S. Gregorio fehlen diese Spitzgiebel allerdings jetzt, aber die Spitzbogen, auf denen sie ruhten, sind noch erhalten; sie sind ziemlich schlank, die Stirn ist mit Formziegeln belegt, welche von aussen herein folgende Gliederung haben : ein Plättchen, welches nur wenig über die glatte Mauerfläche vorsteht, steigender verkehrter Carniess, dann eine Platte mit diagonal stehenden Vierblättern zwischen sich durchkreuzenden Rundstäben, dann eine Reihe Brillantirungen, Platte und Hohlkehle, an die sich nach innen eine Reihe nebeneinanderstehender Spitzbogen mit Nasen anlegt. Da diese Bogen auf gleicher Kämpferhöhe aufruhen und die Mittelabtheilung breiter ist, als die Seitenabtheilungen, so steigt auch der Mittelbogen weiter auf und das scheint auch mit den Giebeln der Fall gewesen zu sein, welche nach einer Ansicht, welche

 

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