Die Frari-Kirche vom Campanile von San Marco aus gesehen
Die gotische Franziskanerkirche Santa Maria Gloriosa dei Frari zählt zu den bedeutendsten Sakralbauten in Venedig überhaupt. Eine erste Kirche an dieser Stelle entstand zwischen 1250 und 1280, nachdem die Minoriten vom Dogen Jacopo Tiepolo im Jahre 1236 ein Stück Land als Bauplatz geschenkt bekommen hatten. 1249 billigte Papst Innozenz IV. für Spenden für die neue Frari-Kirche 40 Tage Ablaß zu. Bedingt durch den Erfolg, den der Orden auch in der Lagunenstadt hatte, mußte diese etwa 40 Meter lange Kirche aber bereits 1340 einem Neubau weichen, der nun eine andere Ausrichtung als der Vorgänger aufweist. Sehr wahrscheinlich wurde die alte Franziskanerkirche während der Bauzeit auch weiter benutzt. Die Existenz eines Friedhofs vor dem Portal der alten Kirche ist durch Archivalien gesichert.
Der Neubau der Kirche ist nicht geostet; sondern vielmehr nach Südwesten ausgerichtet. Erster Bauteil war das nördliche Querschiff. Apsis und Querschiff waren 1361 fertiggestellt, der Campanile folgte 1396. Die aktuelle Apsis stammt allerdings nicht aus dem 14. Jh., sondern ist um 1420 zu datieren, wie das überaus aufwendige Maßwerk belegt. Der Franziskanerorden erfreute sich auch bei Patriziern großer Beliebtheit; besonders der Doge Pietro Ziani fühlte sich den frati minori verbunden und bedachte sie mit einer bedeutenden Geldsumme.
Der Grundriß der Basilica dei Frari zeigt eine Apsis mit der Breite des Mittelschiffs sowie rechts und links jeweils drei Kapellen, deren Breite ein Drittel der Jochbreite beträgt und deren Tiefe etwas geringer als die Jochtiefe ist. Der partiell mit Buntglasfenstern ausgestattete, lichte Chor ist nicht nur hinsichtlich der Lichtführung besonders gelungen. Südöstlich der Apsis sind dies die Milanesi-Kapelle, die St.-Michaelskapelle und die Kapelle der Heiligen der Franziskaner sowie nordwestlich der Apsis die Täuferkapelle, die Sakramentskapelle und die Familienkapelle der Bernardo. Die großflächigen Malereien der Chorkapellen sind stark restauriert.
Das Kirchenschiff selbst besitzt sechs Joche, deren letztes vor der Vierung durch eine mit vierzehn Reliefs verzierte Chorschranke nach Osten abgeschlossen ist und ein Chorgestühl sowie Orgeln des 18. Jahrhunderts. Die Querschiffarme bestehen jeweils aus einem Joch. Ein Portal im nördlichen Querhaus verbindet den Kirchenraum mit der kreuzrippengewölbten Sakristei, die ein eigenständiges Gebäude darstellt. Knapp oberhalb der Abaci und nochmals oberhalb der Gewölbekämpfer werden Joche der Basilika mittels hölzerner, dekorierter Zuganker stabilisiert, die sich auch in den Seitenschiffen finden. Eine solche statische Maßnahme wurde an der Dominikanerkirche Santi Giovanni e Paolo trotz der größeren Höhe nicht in diesem Maße angewandt. Während die Arkaden des Hauptschiffs von Säulen mit fein diamantierten Abaci getragen werden, kommen in der Vierung und an den Kapellen Bündelpfeiler zum Einsatz.
1420 wurde südwestlich neben die Milanesi-Kapelle im Auftrag von Marco Corner eine weitere Kapelle angefügt, die seinem Namenspatron geweiht ist und neben einer 1474 entstandenen Verglasung noch ein von Bartolomeo Vivarini geschaffenes Triptychon mit dem thronenden Hl. Markus mit Hieronymus, Petrus, Nikolaus und Johannes dem Täufer besitzt. Die Wandfresken der Kapelle wurden jüngst wieder Mantegna zugeschrieben. Die Emiliani-Kapelle, welche im fünften Joch südlich an das Seitenschiff anschließt und dem Heiligen Petrus geweiht ist, stammt ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert (1432-1434). Beide Kapellen besitzen auch zum Campo dei Frari jeweils ein Portal. Der ursprüngliche Einbettung der Kirche in das Platzgefüge hat dadurch eine entscheidende Änderung erfahren.
Die Architektur zeigt sich heute, entgegen dem Ursprungszustand, nach außen unverputzt; im Inneren sind die Wände fast vollständig mit Fugenmalerei, wenn auch materiell erneuert, überzogen. An der Hauptfassade bildet sich der basilikale Querschnitt der Kirche in Form von Blendarkaden und darüber angeordneten Voluten ab. Der Giebel des Mittelschiffs ist durch drei Fialen bekrönt. Die Seitenschiffe besitzen je eine kleine Rose mit Kalksteinrahmung; das Mittelschiff eine große Rose in rotem Veroneser Stein und weißem istrischen Kalkstein. Insgesamt ist die Fassade wesentlich sparsamer gehalten als jene der Dominikanerkirche Santi Giovanni e Paolo. Das Hauptportal weist drei Plastiken auf: ein Erlöser von Alessandro Vittoria auf der Spitze, sowie ein Heiliger Franziskus und eine Jungfrau mit dem Kind aus der Werkstatt Bon auf den seitlichen Fialen.
Zu den herausragenden Gemälden in der Frari-Kirche zählen - neben der Assunta von Tizian und der Pesaro-Madonna desselben - die Madonna mit Kind und vier Heiligen von Giovanni Bellini. In der Bernardo-Kapelle ist Bartolomeo Vivarinis 1482 entstandene Tafel mit der Jungfrau und den Heiligen Andreas, Nikolaus von Bari, Paulus und Petrus hervorzuheben, das zugleich die Stammväter der vier Linien des casato Bernardo darstellt und an dem sich, im Vergleich mit dem acht Jahre älteren Triptychon in der Cappella Corner, die stilistische Weiterentwicklung Vivarinis gut verfolgen läßt.
In Santa Maria Gloriosa dei Frari wurden zahlreiche hochgestellte Persönlichkeiten bestattet. Im Kapitelsaal befindet sich das Wandgrabmal des Dogen Francesco Dandolo (†1339), das von einem hervorragenden Tafelbild des Paolo Veneziano geschmückt wird, welches den Dogen und seine Frau Elisabetta Contarini mit den Heiligen Franziskus und Elisabeth von Ungarn zeigt 1. An den Wänden der Apsis befindet sich das spätgotische Baldachingrab des Dogen Francesco Foscari († 1457) sowie jenes von Nicolò Tron. Letzteres ist ein Werk des Antonio Rizzo und zeigt den von zahlreichen allegorischen Figuren umrahmten Dogen in offenbar realistischem, aber wenig vorteilhaftem Portrait als stehende Figur sowie liegend. Von Baldassare Longhena und Gehilfen stammt das zweistöckige Grabmal des Dogen Giovanni Pesaro (†1659). Vier schwarze Atlanten tragen das komposite Obergeschoß mit Pesaro in der Mitte, flankiert von allegorischen Figuren. Selbst Pietro Selvatico sah sich veranlaßt, dieses Werk, in dem Pesaro ostentativ seinen Reichtum zur Schau stellt, zu loben, sei es doch cosė grandiosa nelle sue linee, e nelle sue masse. Der neueren Forschung zufolge wurden die Mohren und vier der Allegorien von Giusto Le Court geschaffen 2. Weitere herausragende Persönlichkeiten, die in Basilika begraben wurden, sind Francesco Barbaro Dottore, Cavaliere e Procuratore (†1454) sowie Simon Contarini aus dem Zweig von San Stin, Cavaliere und Prokurator von San Marco (†1633) und vormals Botschafter bei Kaiser Ferdinand II.
Eine große Restaurierung fand im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts statt. Dabei wurden u.a. je Thermenfenster an der Apsis und an den Seitenschiffen zugesetzt, was zu einer beträchtlichen Verdunkelung derselben führte. Häuser zu Füßen der Apsis wurden durch den heute noch bestehenden Garten ersetzt.
Der nördlich an die Kirche anschließende Klosterkomplex der Franziskaner wurde 1810 unter napoleonischer Herrschaft säkularisiert. 1817 wurde von den Österreichern das Staatsarchiv darin untergebracht. In einem kleinen Teil leben heute noch fünf Mönche, die auch die Kirchengemeinde betreuen.
Der gotische Campanile, einer der höchsten der Stadt, ist seit 2004 Gegenstand einer umfangreichen statischen Sicherungsmaßnahme. Santa Maria Gloriosa dei Frari zählt rund 400.000 Besucher pro Jahr.
Valenzano, Giovanna: Santa Maria Gloriosa dei Frari, in: Valcanover, Francesco (ed). L'architettura gotica veneziana, Venezia 2000, pp. 123-130
Dellwing, Herbert: Studien zur Baukunst der Bettelorden im Veneto : die Gotik der monumentalen Gewölbebasiliken, München 1970, pp. 118ss
http://www.basilicadeifrari.it/
http://www.wga.hu/html/v/vivarini/bartolom/frari/index.html