Am 20. Dezember 1577 wurde der West- und Südteil des Dogenpalasts durch einen Großbrand verwüstet1. Das Unglück einschließlich der hilflos anmutenden Löschversuche ist durch eine Grafik von Georg Hoefnagel, Palatii Senatorii apud venetos conflaratio / Anno MDLXXVII
auch bildlich überliefert. Sogleich stellte sich die Frage, was mit den Resten des Palazzo Pubblico anzufangen wäre. Eine Kommission aus Adeligen wurde zur Entscheidungsfindung eingesetzt und holte Gutachten bei den angesehenen zeitgenössischen Baumeistern ein. In den Gutachten wird die ganze Bandbreite des Umgangs mit Ruinensubstanz deutlich. So sprach sich Christoforo Sorte dafür aus, einen vollständigen Neubau zu errichten. Andere Vorschläge gingen dahin, durch den Einbau von zeitgenössischen Renaissance-Elementen vor allem im Erdgeschoß und der Obergeschoßloggia den Bau zu stabilisieren und dabei gleichzeitig künstlerisch auf den neuesten Stand zu bringen. Die im Gutachten von Paolo da Ponte bereits erkennbare ästhetische Abwertung ist auch bei Andrea Palladio evident. Zusätzlich verwies Palladio, der in Venedig mit seinen Palastentwürfen nicht reüssieren konnte, besonders auf den Umfang der Schäden, doch waren das Mauerwerk und die Fußböden in weiten Teilen vom Brand nicht betroffen gewesen. Francesco Sansovino, Sohn des Baumeisters Jacopo Sansovino, lobte hingegen die Architektur des Dogenpalasts und sprach sich für den Wiederaufbau in der alten Form nicht nur aus ästhetischen, sondern auch aus ideologischen Gründen aus, denn zur Erbauungszeit des Palasts sei die Republik da quel tempo in quà è sempre cresciuta in potenza et grandezza, et fattasi la prima del mondo: mi parebbe assai ale il lasciarlo, essendovi genio per loro forunato e felice
. Hier wird dem Bau ein Symbol- und Erinnerungswert zuerkannt. Tatsächlich wird dies der ausschlaggebende Grund für die Beibehaltung und Wiederherstellung des mittelalterlichen Teils gewesen sein. Das beschädigte Maßwerk der Sala del Maggior Consiglio wurde allerdings entfernt; dies hatte wohl ästhetische Gründe.
Erstes und zweites Obergeschoß der Ostseite zum Rio di Palazzo, April 2005
1483 brannte der Ostflügel des Dogenpalasts nieder. Die Frage, wer der Urheber des monumentalen, zum Rio della Canonica hin ganz mit istrischem Kalkstein verkleideten Neubaus war, konnte bis heute nicht vollkommen geklärt werden. Während die tradierte Lehrmeinung den gesamten Bau dem protomagister
Antonio Rizzo zuschreibt, kam T. Hirthe 1982 in einem Aufsatz aufgrund einer genauen Differenzierung des Begriffs des proto
in Verbindung mit stilkritischer Analyse zu dem Schluß, daß Mauro Codussi der Entwurfsverfasser gewesen sei2. Besonders beim Vergleich mit Codussis Fassade des Palazzo Zorzi (z.B. beim Einsatz von Tondi und des ausgeprägten Horizontalismus) scheint Hirthes Argumentation schlüssig. Der diamantierte Sockel verweist allerdings auf die Ca'del Duca von Bartolomeo Bon. Partiell sind noch Reste der goldenen Fassung vorhanden. Die neue Fassade zum Innenhof sollte nach den Wünschen der Auftraggeber auf den gotischen Bestand Rücksicht nehmen, was das stilistische Konglomerat der Arkadenreihen erklärt. Der Autor der Obergeschosse bleibt unklar. Hingegen ist die Urheberschaft Antonio Rizzos für die Scala dei Giganti
, eine einläufige Pracht- und Krönungstreppe, welche der feierlichen, öffentlichen "Krönung" des Dogen durch den Empfang der cornu ducale diente, gesichert. Sie wurde am 11. November 1485 in Auftrag gegeben. Vermutlich waren Steinmetzen aus Urbino am Bau beteiligt3. An der Treppe ist das Wappen des Dogen Agostino Barbarigo prominent angebracht. Die beiden überlebensgroßen Giganten Sansovinos wurden erst später hinzugefügt.
Scala dei Giganti mit den Skulpturen Sansovinos