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von zwei Rundstäben, theils von Doppelzahnschnitt eingefasst und mit in byzantinischer Weise wunderlich verschlungenen und durch eingeflochtene Thiergestalten belebten Ornamenten ausgefüllt. Ebenso sind die Scheiben verziert und zwar begegnet man hier schon Allegorien; so soll z. B. der Löwe und die Wölfin, die sich umarmen, das so sehr gerühmte freundschaftliche Verhältniss Venedigs zu Rom darstellen; der Löwe, der ein Lamm zu Boden wirft, soll die Unterwerfung Torcello's, das ein Lamm im Wappen führt, bedeuten, und sich auf den Aufstand des Bischofs von Torcello und Patriarchen von Grado nach Vertreibung seines Bruders, des Dogen
Otto Orseolo im Jahre 1026 beziehen (S. o. Seite 46 u. 47), bei welcher Gelegenheit, wie Einige behaupten wollen, der Doge
Flabenigo diejenigen edlen Venetianer, die ihm bei Unterwerfung Torcello's beistanden, dadurch belohnte, dass er sie in die Rechte und Besitzungen der besiegten Torcellesischen Familie einsetzte; da hätte denn nun, so erzählt die Sage, Jeder der Betheiligten den ihm auf diese Weise zugefallenen Familienpalast in Torcello weggerissen und in Venedig wieder aufgebaut, dabei aber mit obenerwähntem Symbol versehen, so dass man also annehmen könne, jede Familie, an deren Palast der Löwe mit dem Lamm angebracht sei, habe den mehrerwähnten Streit der
Flabenigo gegen die
Orseoli mit ausgefochten.
Die Bogen am Palast
Bazizza sind sehr wenig überhöht, die Kapitäle theils spätrömischer Arbeit, theils nach Fig. 41 gebildet, ausserdem begegnen wir aber hier zuerst noch einer andern Kapitälform, ähnlich der von Ravenna, aber etwas ausgebaucht und an jeder der Seiten mit einem halbkugelförmigen Buckel versehen, auch nicht mit Korb oder Netzwerk, sondern mit durchbrochen gearbeiteten Seegrasblättern besetzt; dasselbe Motiv, nur mit etwas anderem Blattwerk, zeigen die Pfeiler einer unter arabischer Herrschaft gebauten Synagoge in Toledo, ein neuer Beweis für den Einfluss des Orients auf die Kunst Venedigs.
Ausser einigen kleinen unbedeutenden Bauten und Gebäudetheilen zeigen auch die Glockenthürme der Kirche
San Samuele und
San Zacharia, sowie der ältere Theil des Campanile
di San Marco (888—1150 vom Grund bis zur Glockenhalle aufgeführt), ebenfalls die Formen jener Periode. Ueber einem stark verjüngten Unterbau, dessen Seiten mit vertieften, oben halbkreisförmig geschlossenen Bogenblenden besetzt sind, erhebt sich ein ziemlich würfelfömiger Pavillon, der an jeder Seite drei überhobene Rundbogenfenster mit kurzen Säulen dazwischen hat, deren Kapitäle als ganz schmucklose Würfelkapitäle erscheinen. Darüber trägt ein auf Consolchen ruhender Bogenfriess einen einfachen Hauptsims, dessen ganze Verzierung gemeiniglich nur aus einem Zahnschnitt besteht und der ein bald mehr bald weniger steiles Zeltdach trägt.