Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 53 55

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lateinischen Motive, in der Decoration des Aeusseren aber namentlich byzantinische Elemente, gemischt mit arabischen Motiven; erklärbar wird das Vorhandensein dieser Motive hier und in Santa Fosca auf Torcello, sowie an mehreren Palastbauten Venedigs u. s. w. durch den Handelsverkehr mit Kairo und Sicilien.
Einzelnheiten des Doms von Murano erinnern lebhaft an die Moscheen von Toloun in Kairo, sowie das hier angewendete Zickzack Verwandtschaft mit den saracenisch-normannischen Bauten Siciliens verräth.
So bildete die Thätigkeit der an diesem Gebäude arbeitenden Künstler die ersten Schritte dazu, dass der spätromanische Stil (S. 48, 4) hier auf den venetianischen' Inseln eine gewisse orientalische Färbung
annahm und dadurch einen ganz andern Entwicklungsgang einschlug, als auf dem Festlande Italiens, namentlich in der jetzigen Lombardei, von wo er sich nach Frankreich und Deutschland verbreitete und dort als Grundlage des germanischen Spitzbogensystems auftrat. Auch hier auf Venedigs Inselstaat ging die Rundbogenform allmälig in den Spitzbogen über, aber wie wir sehen werden auf ganz anderem Wege, nämlich nicht wie jener aus dem Rundbogen, direct in den stumpfen niederen Spitzbogen, der sich allmälig höher hob und alle horizontalen Gesimse etc. durchbrach, so die Verticale zur vorherrschenden, charakterisirenden Linie machend, sondern durch den überhöhten Rundbogen, der zuerst auf dem Scheitel eine kleine Schneppe bekam, dann in den sogenannten persischen Bogen und endlich in den Eselsrücken und gewöhnlichen Spitzbogen überging, jedoch immer decorative Form blieb, ohne jemals die Macht zu erlangen, das Horizontalsystem zu beseitigen, eine Abweichung von dem allgemeinen Gange der Ausbildung des gothischen Stils (s. S. 48, 5) die so bemerkenswerth ist, dass man diesen Spitzbogenstil mit vollem Fug den venetianischen nennt.
Jetzt schon weiter auf das System dieses Stils eingehen, hiesse der chronologischen Reihenfolge vorgreifen; kehren wir daher jetzt zu dem überhobenen Rundbogen des 11. Jahrhunderts zurück und betrachten

 

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