Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 281 283

S. 282

venetianischen Zeitgenossen. Dass wir durchaus berechtigt sind, von einer germanisirenden Richtung in Venedig zu sprechen, dafür mögen als Beweis hier unter Anderen auch einige Arbeiten angeführt werden, welche auf directen Einfluss der deutschen Schule hindeuten.
Der gothische Altar in der Kapelle San Pietro in der Kirche Frari zeigt ebenfalls bedeutenden nordischen Einfluss und ist dabei eine der reichverziertesten Arbeiten aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Die Figuren zeigen weniger nordische Anklänge, als die Architectur.
Maestro Pietro di Nicolo da Firenze und Giovanni di Martino da Fiesole. Das Grabmal des Dogen Tomas Mocenigo, aus dem Jahre 1424, trägt in einer Inschrift diese beiden Namen; die Träger derselben müssen aber ziemlich untergeordnete Künstler gewesen sein, denn bei aller aufgewendeten Pracht ist dieses Denkmal doch ein sehr schwaches Werk; es steht im linken Seitenschiff von S. Giovanni e Paolo und ist eine der letzten Arbeiten, bei denen der gothische Styl die Renaissance noch ziemlich siegreich bekämpft, obgleich so Manches daran schon sehr den Einfluss der Antike zeigt; dies gilt namentlich von den sieben Figuren, welche die Tugenden darstellen und zum Theil nicht ganz geschmacklos in ihren Bewegungen sind, obgleich sie so zahlreiche Fehler in Behandlung des Nackten, in Gewandung, ja selbst in den Hauptverhältnissen haben, dass man sie kaum mittelmässig nennen kann.
An der linken Seite der Porta della Charta, an der Vorderseite der am Tesoro sich hinziehenden Steinbank befinden sich einige Ungeheuer, über deren Deutung der Abate Pasini Vermuthungen aufgestellt hat, welche Selvatico widerlegt, indem er zuletzt zu dem Schluss gelangt, dass dieselben wohl rein ornamental sein möchten. Wenn wir nun auch nicht geneigt sind, dem beizustimmen, da wir fast überzeugt sind, dass solche Ungeheuer (z. B. ein Stier mit Menschenkopf etc.) fast stets eine Bedeutung hatten oder haben sollten, so stimmen wir doch darin Selvatico bei, dass diese Arbeiten jedenfalls aus der ersten Hälfte, wenn nicht aus dem ersten Drittheil des 15. Jahrhunderts sind, ja wir glauben sogar, gestützt auf einige Eigenthümlichkeiten der Formgebung und auf die Buchstabenform der Inschrift (goth. Minuskeln), dass wir es auch hier mit der Arbeit eines Deutschen zu thun haben. Dasselbe scheint uns mit der ganz deutsch-gothischen Rosette auf der Südseite der Markuskirche der Fall zu sein, welche Herr Engelhard aus Kassel in der Förster'schen Allgemeinen Bauzeitung (1844 Heft 4 u. 5) erwähnt, und die uns von der Reparatur nach dem Brande von 1423 herzurühren scheint.

 

Impressum Venedig