Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 159 161

S. 160

bereits bei Betrachtung der Wohnhäuser jener Zeit gesehen haben, ganz anders gestaltete als anderwärts, wo sich aus dem Kampfe byzantinischer und frühromanischer Elemente die spätromanische Bauweise entwickelte (s. S. 48, 4) welche allerdings hier und da lombardisch genannt wird, eigentlich ganz ohne haltbaren Grund. Das Vorkommen der Benennung lombardisch bei Beschreibungen venetianischer Bauwerke hat, wie wir später sehen werden, eine ganz andere Bedeutung.
Was nun jene Archivolten betrifft, so müssen wir sie, obgleich sie sehr spät vollendet wurden, aus den eben erwähnten Gründen jetzt schon in Betrachtung ziehen.
Zunächst über dem Portal, die beiden unmittelbar am Gewände stehenden Säulen verbindend, zieht sich die kleinste dieser Archivolten in einem um circa zwei Fuss gestelzten Halbkreis herum; auf der Stirnfläche enthält sie in nicht sehr erhabener Arbeit Pflanzenranken, Thiere und menschliche Figuren in verschiedenen Bewegungen. Die Arbeit und Ausführungsmanier anlangend, bemerken wir, dass die Contouren scharf hintergesetzt, die Falten eckig gelegt, und die Blätter und Blumen etwas eckig, die Rankenbewegungen fast alle kreisförmig sind, so dass sie förmlich Scheiben zur Umgebung der Figuren bilden. Blätter, Blumen und Figuren sind so gleichmässig vertheilt, und zu so gleichförmiger Tiefe (im Ganzen nicht sehr tief) eingearbeitet, dass schon auf kurze Entfernung das Ganze eben nur aufgehauen zu sein scheint und Haupt- und Nebensache sich vermischen. Alles Zeichen von Haften an byzantinischer Manier, alles also Zeichen von Vollendung dieses Bogens um das Jahr 1200. Was nun den Gegenstand der Darstellung betrifft, so sind darüber die Meinungen verschieden. Wir für unsern Theil vermuthen, dass diese Reihenfolge von Menschen und Thieren, die allerdings zum Theil sehr verstümmelt sind, das Jahr vorstellen soll, und zwar die grössern menschlichen Figuren die Monate, die kleinern Mensch - und Thiergestalten die Zeichen des Thierkreises. Die Laibungsfläche des Bogens enthält lediglich Blatt- und Blumenwerk in ähnlicher Anordnung und ähnlicher Ausführungsweise, wie, die Darstellungen der Stirn. Der zweite Bogen ist ganz glatt an Laibung und Stirn. Der dritte und letzte des eigentlichen Portals, welcher den Kämpfersims der Hauptbogen der Vorhalle durchschneidet und dadurch unsere Meinung bestätigt, dass dieses ganze Portal bei der ursprünglichen Anlage gar nicht beabsichtigt gewesen sei (s. S. 78 ff.) hat auf der Stirnfläche 16 weibliche Figuren, die acht Seligkeiten und acht Cardinaltugenden in einzelnen Feldern, die, der Form der Wölbsteine folgend, durch mageres und steifes Rankenwerk gesondert sind. Die Laibung hat Blattwerk, in dessen Ranken die Instrumente der durch die

 

Impressum Venedig