Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 135 137

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mitgetheilt haben, so weit dieselbe auf die Gestaltnng der Kunstformen von vorwiegendem Einfluss erscheint, oder so weit sich beglaubigte Nachrichten über Erbauung von Kirchen etc. in den Historiographen Venedigs auffinden lassen, gehen wir zur Betrachtung der Denkmale selbst wieder über, um dieselben in der durch die Geschichte vorgeschriebenen Reihenfolge zu mustern und an ihnen den Entwickelungsgang der Baustyle in Venedig in der zweiten Hälfte des Mittelalters zu beobachten; nachdem wir weiter oben den Kampf zwischen byzantinischen und altrömischen Elementen und die daraus hervorgehende byzantino-romanische Richtung kennen gelernt hatten, gelangen wir nun zu den Werken, die auf einen bedeutend vorwiegenden byzantinischen Einfluss, nur wenig durch einige speciell italienische Modifikationen gemildert, deuten und die man vielleicht als italienisch-byzantinisch bezeichnen könnte; wie sich dann aus diesen Formen allmälig andere entwickeln, das sehen wir am besten im Laufe der Betrachtung der Denkmale, welche wir mit der schon in der vorigen Periode theilweise betrachteten Marcuskirche beginnen, an der immer langsam weiter gearbeitet wurde; das Gerippe der Kirche stand bereits fertig, aber immer gab es noch werthvolles altes Material, immer fanden sich noch Plätzchen zur Verwendung desselben und immer fand sich auch Gelegenheit, theils zu Hinzufügung neuer Kapellen, theils zur Hineinbringung von Einzelkunstwerken. 1094 war der Leichnam von S. Marco aus der Cripta in den oben S. 92 besprochenen Hauptaltar geschafft worden. 1096 starb Vitale Falieri und wurde in S. Marco begraben. Von dem Standpunkte . der Kunst zu damaliger Zeit gibt sein Denkmal allerdings keinen Begriff, wir sehen aus demselben blos, dass man damals entweder wegen der vielen Kämpfe keine Zeit zu grösseren Arbeiten hatte oder, dass man eben aus blosser Bequemlichkeit gern alte Arbeiten verwendete. Das Grabmal des Vitale (es steht in dem Atrium gleich zur Rechten des mittlern Eingangs in der Nische des Pfeilers E Fig. 45) besteht nämlich aus einem Sarkophag, der aus ältern, zum Theil antiken Platten zusammengesetzt ist und dessen Baldachin von schweren achteckigen Säulen mit Würfelkapitälen getragen wird.
Diesem Denkmal symmetrisch in der Nische des Pfeilers I) steht das ganz ähnliche Grabmal seiner Tochter Felice, der Gattin des Dogen Vitale Michieli, welche 1111 starb.
Im Jahr des grossen Brandes 1112 war Leone da Molino Procurator von S. Marco; auf seinen Befehl wurde die grosse Mittelthür des Atriums zwischen den Pfeilern D und E mit bronzenen Flügeln versehen. Diese sind in Venedig gegossen; den Namen des Meisters zu erfahren ist uns leider nicht gelungen. Sie enthalten in Feldern von

 

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