Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 113 115

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Die Treppen sind grösstentheils breit und bequem, zu überwiegend grösserem Theil von Stein. Fremdenzimmer findet man in den städtischen Häusern seltener als auf den Villen.
Die Dächer sind gemeiniglich unter 20 — 25° geneigt, haben aber oft einen Austritt, Terrazza oder Altana, deren Fussboden aus Brettern oder gestampfter Erde oder auch, gleich denen der Zimmer und Säle, aus dem berühmten venetianischen Aestrich, der Battuta, besteht, deren Anfertigung noch jetzt von einer besondern Zunft, den Terrazzeri oder Terrazzaji, besorgt wird. Die Oberfläche dieser Battuta bildet eine Art Mosaik, allerdings in ihrer Zeichnung nicht so scharf und correct als gelegte Mosaik, aber doch immerhin oft in reichem Farbenschmucke prangend.
Untergeordnete Räume sind häufig mit Ziegeln gepflastert. Auch wirkliche Mosaik- und Marmortäfelung ist nicht selten. Was nun endlich die Gründung anbelangt, so ist darüber Folgendes zu bemerken: 15 bis 18 Fuss unter dem Meeresspiegel der Lagunen liegt eine ziemlich felsenharte, graublaue Thonmergelschicht, Caranto von den venetianischen Maurern genannt, die bei Triest als Crostolo zu Tage kommt; bis zu dieser Schicht hinab werden die Pfähle von Eichen- oder Cedernholz in dichten Reihen eingerammt, oben verschnitten und durch Schwellen verbunden, auf welche eine Art Dielung von Lerchenpfosten kommt, auf dieser nun beginnt der Maurer seine Arbeit.
Venedig beansprucht für sich die Ehre, die Erfinderin der Camine zu sein; von hier aus empfing wenigstens das christliche Rom den ersten Camin durch Franzesco Carrara (1368). Mag dies nun gegründet sein oder nicht, so viel ist gewiss, dass die Schornsteinanlagen wohl nirgends so weit ausgebildet sind, als in Venedig, wo man durch die complicirte Construction der oft riesenhaften Essenköpfe es dahin gebracht hat, dass auch ohne beweglichen Aufsatz selbst bei dem widrigsten Winde kein Rauch die Bewohner belästigt; der Stolz, den die Venetianer auf diese Essen setzen, geht aber auch so weit, dass sie dieselben wo möglich stets an der Aussenseite der Häuser in die Höhe führen, oft eine ganze Façade dadurch verunstaltend.
Dies wäre das Wesentlichste über die Einrichtung der Wohnhäuser Venedigs, wie sich solche nach dem grossen Brande von 1112 allmälig zu einer fast stereotypen Grundform herausbildete, die mit nur wenigen unbedeutenden Abänderungen sich durch sieben Jahrhundert erhielte
Mit jenem Brande schien das Unglück Venedigs noch nicht erschöpft zu sein; die Ungarn griffen Dalmatien von neuem an, Falieri besiegte sie zwar in einer blutigen Schlacht bei Zara, fiel aber selbst als Opfer seines Sieges (1117) und wurde in S. Marco begraben, zu dessen Ver-

 

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