Bauzeit: | 1745-1772 |
Architekt: | Giorgio Massari |
Adresse: | San Marco 3251 |
Nutzung: | Museum |
Auf Gesamtkarte: | lokalisieren |
Von 1732 bis 1745 kauften die Brüder Angelo und Zuanne (Giovanni) Grassi mehere bebaute Grundstücke am Canal Grande in der Pfarrei von San Samuele. Ab 1748 wurde mit dem Bau des neuen Palasts begonnen, der - wie viele andere Palazzi - der architektonische Ausdruck des gesellschaftlichen Aufstiegs der Auftraggeber war: die ursprünglich aus Bologna stammende Familie Grassi war erst 1718 durch die Zahlung von 60000 Dukaten in das venezianische Patriziat aufgenommen worden, und dies sollte nun baulich auch in einem entsprechenden Palast seinen Niederschlag finden. Tatsächlich handelt es sich bei dem erst 1772 beenden Gebäude um den letzten Großpalast, der in der Repubblica Serenissima entstanden ist. Seit Moschini schreibt die Kunstgeschichte aus stilkritischen Gründen die Architektur Giorgio Massari zu. Die Zuschreibung ist plausibel. Genaue Details sind durch den Verlust des Archivs der Grassi allerdings nicht mehr in Erfahrung zu bringen.
Interessant wird die "klassizistische" Architektur des Palasts besonders im Vergleich mit der schräg gegenüberliegenden Ca'Rezzonico, die derselbe Architekt als Nachfolger des verstorbenen Baldassarre Longhena vollendet hatte. Ist bei Longhena die Dreiteiligkeit der tradierten venezianischen Palastfassade in den Obergeschossen nicht mehr vorhanden, so rekurriert Massari - wie andere klassizistische Architekten - wieder auf das dreiteilige Schema. Über einer zentralen serliana mit Wappen im Erdgeschoß ist eine fünfbogige Loggia angeordnet; der zweite piano nobile besitzt im Gegensatz zum ersten keine Fenster mit Rundbogen. Parallelitäten zu Andrea Palladios Palazzo Chiericati in Vicenza sind besonders im 2. piano nobile nicht zu übersehen. Ein zentraler, heute glasüberdachter Innenhof mit Prunktreppe enthält als eines der letzten überkommenen dekorativen Elemente freskierte Empfangsszenen von Michelangelo Morlaiter und Reliefs von Gian Maria Morlaiter. Das von einer 1909 geschaffenen Stuckdekoration im Stile des Neorokoko eingefaßte allegorische Deckenfresko des Treppenhauses stammt von Giambattista Canal (um 1780).
1844 wurde das Gebäude für 176.000 (österreichische) Lire verkauft und im Zuge der Wertsteigerung und der damit verbundenen allgemeinen Spekulationslust im Bauwesen in dieser Zeit (Pemble, John: Venice Rediscovered. Oxford 1996) ein Jahr später für 240.000 Lire an einen österreichischen Maler weiterverkauft, der das Gebäude in ein Hotel umbauen ließ. Ab 1857 wurde der Palast durch den neuen Eigentümer Baron De Sina radikal umgebaut. Dabei ging der noch vorhandene Dekor des Settecento bis auf wenige Ausnahmen verloren. 1908 erwarb der Industrielle Giovanni Stucky den Bau. 1949 fand ein erster Umbau zu Ausstellungszwecken durch die Società Immobiliare Veneta statt, ab 1978 beherbergte der palazzo das Istituto/Centro di Cultura di Palazzo Grassi. Die Palazzo Grassi SpA, eine Tochter der FIAT, erwarb den Bau schließlich 1984.
Gemeinhin wird die Restaurierung durch Prof. Antonio Foscari und Gae Aulenti im Jahre 1985 zum Zwecke des Umbaus in ein Museum als gelungen bezeichnet, in der neueren wird aber auch Kritik laut: der Innenhof sei nun a gigantic foyer like that of a hotel (Pertot/Quill 2005). Neben der durch die neue Nutzung notwendige Anpassung der Statik mittels Stahlankern etc. und der starken Überarbeitung der Steinoberflächen ist allerdings besonders zu kritisieren, daß die Fenster nunmehr blind sind. Dies ist dem Charakter des Gebäudes besonders abträglich, wie der Vergleich mit den umstehenden Bauten und besonders der historisierenden Befensterung in Tafelglas der Ca'Rezzonico zeigt. Sofern dies aus rein konservatorischen Gründen für die Ausstellungen erfolgte, ist es umso weniger verständlich, daß zu Zeiten, in denen keine Exponate gezeigt werden, die Fenster nicht geöffnet werden.
Durch den Rückzug der FIAT aus dem kulturellen Leben Italiens erwarb - nach dem Willen des Bürgermeisters - die Stadt mit Mitteln der kommunalen Spielbank Anfang 2005 die Mehrheit an der Betreibergesellschaft. Mitte 2005 wurde die Beteiligungsgesellschaft bereits wieder an den französischen Industriemagnaten François Pinault weiterverkauft. Im Mai 2006 erlebte das Museum nach Umbau durch Tadao Ando eine Neueröffnung mit herausragenden Stücken aus der Sammlumg Pinaults. Pinault hat auch Interesse an der Dogana di Mar bekundet.
© 1999-2007 J.-Ch. Rößler
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