Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 87 89

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venetianischen Provinzialstädte hierher geschafft worden, welche durch Verlegung der Regierung nach Rialto ums Jahr 800 zum grossen Theil entvölkert worden und seitdem zu armseligen Dörfern herabgesunken waren.
Die Dome von Torcello, Aquileja und Grado bewahren noch jetzt ähnliche Arbeiten.
Dass die in S. Marco verwendeten nicht gleichzeitig mit dem Bau, überhaupt nicht für den Bau gearbeitet wurden, beweist vor Allem der Umstand, dass sie nicht gleichmässig eingetheilt sind, einige sind länger, andere kürzer, selbst in der Höhe stimmen sie nicht ganz überein, an einigen sind Streifen untergelegt, an andern fast der ganze die Felder einfassende Rand abgearbeitet, um sie passend zu machen; einige sind auch auf eine Weise bestossen, wie dies bei ihrer jetzigen Aufstellung rein unmöglich ist.
Einige haben geglaubt, es seien frühere Sarkophagseiten und stammten aus Constantinopel, aber die Arbeit zeugt zwar von byzantinischem Einfluss, ist aber durchaus nicht direct byzantinisch zu nennen. Wir halten dafür, dass sie früher als Cancellen gedient haben, wie sich denn in S. Clemente in Rom Cancellen ähnlicher Arbeit und in den Domen von Torcello (S. ob. S. 32. Fig. 19 u. 20) und Aquileja Cancellen von so auffallender Aehnlichkeit mit den hier in Rede stehenden Platten finden, dass man fast versucht ist, sie für Werke derselben Hand zu halten. Sie haben allerdings ebenfalls grosse Aehnlichkeit mit den au der Aussenseite des Katholikon zu Athen eingemauerten Ornamentenplatten nnd daraus haben Einige geschlossen, dass die Venetianer sie aus Griechenland geholt hätten. Aber gerade umgekehrt ist das Katholikon, wie man jetzt mit Grund vermuthet, ein Werk der Venetianer, als dieselben Athen erobert hatten. Der grösste Theil dieser Platten enthält ein halb so hohes als breites, von einem kleinen Blätterstab oder einer zopfähnlichen Verzierung eingefasstes Feld, von dessen Mitte aus sich Ornamentenranken ausbreiten; bei einigen nimmt die Mitte ein Kelchblatt ein, aus dem sich ein Blumenstengel aufrichtet, der oben ein Paar Seitenzweige hat; vor seinem Fusse steigen zwei grosse Blätter in die Höhe, die in hohen Bogen aufwärts steigen und sich dann an den Seiten wieder herabbeugen, theils in Blumen, theils in langen Keimblättern endend; in den dadurch gebildeten annähernd kreisförmigen Einfassungen stehen zwei der Mitte zugewendete Löwen mit erhobenem Schweif und aufgehobener Vorderklaue; die Arbeit und die Gestallen der Löwen gleichen ganz den in Fig. 19 abgebildeten, bei andern nimmt die Mitte eine Vase ein, aus deren oberer Oeffnung zwei sich vielfach verzweigende, auch sehr an Fig. 19 erinnernde Ranken herauswachsen, die das ganze

 

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