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Basiliken nach noch kürzerer Zeit umfassende Reparaturen nothwendig werden.
Zwar scheint es, als wenn die wesentlichste Restauration unsrer Kathedrale ins Jahr 1008 fiel. (S. weiter unten.) Wenigstens der Chronist Sagomino, welcher um diese Zeit gelebt zu haben scheint erzählt, dass die beiden Orseoli die Kirche wieder herstellen liessen und bedient sich dabei der Worte:
,.eeclesiam jam vetustate consumptam recreare1)."
Die meisten Geschichtsschreiber nach ihm betrachteten dies nicht blos als Restauration, sondern als einen so vollständigen Wiederaufbau des Doms, dass sie einstimmig versichern, die jetzt stehende Kirche sei 1008
2) von Grund aus neu errichtet worden.
Wenn wir jedoch die Thatsachen, die Geschichte Torcellos etc. ruhig erwägen und den gegenwärtigen Zustand unsrer Basilika mit den Gebäuden vergleichen, die uns noch vom 6. und 7. Jahrhundert geblieben sind, so müssen wir zu der Ueberzeugung gelangen, dass sowohl 864 als 1008 die alten baufälligen Theile wieder aufgerichtet worden sind, dass man dabei aber immer dem ursprünglichen Plane treu blieb und sich immer wieder der Marmorstücken bediente, die bei der ersten Construction angewandt worden waren.
Uebrigens ist die oben angezogene Stelle im Sagornino etwas unklar und braucht nicht unbedingt auf die Kathedrale von Torcello bezogen zu werden. Aber selbst voraussetzend, dass sie sich darauf bezieht, sehen wir nicht daraus hervorgehen, dass sie 1008 von Grund aus neu errichtet worden;
recreare, renovare ist doch keineswegs dasselbe, wie
exstruere oder
aedificare; der hier gebrauchte Ausdruck
recreare bezeichnet doch jedenfalls nur eine Wiederherstellung, Ergänzung und Erneuerung fehlender Theile,
ohne Vernichtung des Vorhandenen3).
Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass man grade die marmornen Verzierungstücke, die Unwetter und Zeit weniger zu beschädigen pflegen, als Ziegelmauer und Kalkputz, wieder in Anwendung brachte, und dass wir es nicht nur der Hauptanlage, sondern auch den meisten Details nach weder mit einem Bauwerk des 9. Jahrhunderts, noch mit einem des 11. zu thun haben, welches dann schon viel mehr bizantinischen oder orientalischen Einfluss zeigen würde.
Wir glauben daher ganz Recht zu haben, wenn wir die Beschrei-
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1)
Sagorninus Chronicon Venedum. Venedig, 1765. pag. 41.
2) Auch Kugler nennt in seiner Kunstgeschichte dies Jahr als die Erbauungszeit dieser Kirche.
3) S. übrigens
Costodoni, Osservazioni intorno alla Chiesa dì Torcello. In den
Opuscoli del Calogerà. Vol. 43. pag. 268.