Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 219 221

S. 220

Wie wir oben S. 128130 sahen, war Venedig in den Jahren 1345 —1381 so von Pest, Erdbeben, Krieg und Empörung heimgesucht, dass wahrscheinlich nicht viel Zeit zum Bauen übrig blieb; wenn nun auch gerade durch jene Calamitäten manche Kirchenbauten herbeigeführt wurden, welche bereits S. 130 aufgezählt sind, auf die wir auch später zurückkommen werden, wenn auch namentlich durch das Erdbeben manches Haus vielleicht beschädigt worden sein mochte, und also dringend der Reparatur bedurfte, so lässt sich doch nicht wohl denken, dass in solchen Zeiten Luxusbaue vorgenommen worden sind. Da nun, wie gesagt, die historischen Nachrichten über Privatbaue sehr selten sind, so kann man eben nur folgende beiden Sätze aufstellen. 1) Wie oben schon ausgeführt ward, ist kein Palast vor 1340 mit durchbrochenem Maasswerk versehen worden. 2) Noch nach 1437 hat man solches Maasswerk gefertigt und überhaupt gothisch gebaut, denn nach Sansovino besass die Familie Giustiniani drei Paläste neben einander am grossen Kanal, wovon Bernardo G. den einen 1428 an den Staat verkaufte, welcher denselben dem Franzesco Gonzaga, Markgrafen von Mantua, zum Bewohnen übergab; als derselbe aber 1437 Venedig verliess, um mit Mailand in Bund zu treten, wurde der Palast versteigert, der Doge Foscari erstand ihn, und liess ihn erhöhen, damit er nicht mehr den daneben stehenden Giustiniani'schen gleiche; da nun, wie wir später sehen werden, auch dieser jedenfalls nach 1437 geschehene Aufbau dem venetianisch-gothischen Styl treu bleibt, so kann man mit Sicherheit annehmen, dass mindestens bis 1438 dieser Styl in Gebrauch blieb, wenngleich er manchen Kampf mit andrängenden antikisirenden Elementen zu bestehen hatte.
Sonach kann man also annehmen, dass beinahe 100 Jahre, von 1340 —1438 circa, Paläste und Wohnhäuser diesen Styl befolgten; alle hier noch zu besprechenden Bauten dieses Styls fallen also, selbst wenn keine speciellen Nachrichten über ihre Erbauungszeit vorhanden sind, in diesen Zeitraum, welcher sich bei Berücksichtigung der Unglücksfälle und dadurch verursachten Verhinderung am Bauen und beim Hinblick auf die allmälige Veränderung der Maasswerksdisposition, wie wir sie oben andeuteten, sogar noch verkürzt und auf die Jahre 1370—1438 reducirt.
Nach dieser Entwicklung der Maasswerksdisposition nun können wir die Reihefolge der in dieser Zeit entstandenen Bauwerke ohngefähr folgendermassen ordnen:
1) Eselsrücken mit Kreisen zwischen sich, wie am Dogenpalast, den bereits betrachteten und einigen noch zu betrachtenden Palästen.

 

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