Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 203 205

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Archivolteneinfassung in eine Schneppe mit Blume ausläuft; das Ganze ist im höchsten Grade malerisch.
Wie wir schon früher S. 179 näher ausführten, war der Anfang des 14. Jahrhunderts ein Wendepunkt für die venetianische Kunst im Allgemeinen, also auch für die Baukunst. Und in der That, hatte man bis jetzt bei den Palästen hauptsächlich auf Kostbarkeit des Materials, Grossartigkeit der Treppen, Grösse der Verhältnisse etc. gesehen, so beginnt im 14. Jahrhundert sich ein ganz anderes Bestreben geltend zu machen. Welche Ursachen ausser den Folgen des oben erwähnten Gesetzes, d. h. der selbstständigen Entwicklung der Nationalität Venedigs noch besonders mitwirkten, ob der Mangel an Geld, das Versiechen der frühern Marmorquellen (d. h. der Mangel an Ruinen) oder ein feiner gestaltetes Kunstgefühl, das lassen wir dahin gestellt sein; kurz und gut, man begann dahin zu streben, mit weniger Mitteln als früher doch eine schöne Wirkung zu erzielen und namentlich machte sich eine grosse Lust an mehrfarbigen Façaden geltend. Diese Lust suchte man theils durch Anbiendung bunter Marmorplatten, theils durch Sehenlassen der Ziegelconstruction, theils durch Bemalung zu befriedigen; bei der hier folgenden Aufzählung der bemerkenswerthesten Wohnhausbauten werden wir mehrfach auf die polychrome Ausstattung ihrer Façaden zurückkommen; leider ist von den Bemalungen nur sehr wenig, ja selbst von der bunten Ziegelarchitectur nicht viel erhalten, so dass Einige sie sogar haben hinwegleugnen wollen. Aber um dieser Ableugnung zu widerstreiten, würden die wenigen erhaltenen Beispiele schon genügen, selbst wenn nicht auf einigen Bildern alter venetianischer Meister solche bemalte Paläste dargestellt wären, namentlich auf einem von Gentile Bellini, welches bei unserer Anwesenheit im ersten Saale der Kunstakademie auf der Seite der Eingangsthür hing und das Wunder eines heiligen Kreuzes darstellt, welches in den Canal gefallen, nur durch Andrea Vedramin wieder gehoben werden konnte, sowie auf dem daneben hängenden, ein ähnliches Wunder darstellend, von Gio. Mansueti. Wie wir sehen werden und wie man auch aus diesen Bildern sehen kann, scheinen roth und gelb besonders beliebte Farben gewesen zu sein, blau und grün kommen nur selten, weiss fast gar nicht bei diesen Bemalungen vor, und in der That, bei Betrachtung der Localität findet man diese Wahl gerechtfertigt, blau und Grün ist in Himmel und Lagunenwasser gerade genug vertreten, weiss liebte kein Südlander äusserlich an Gebäuden im Mittelalter, auch ist überhaupt das Weiss als Gebäudefarbe doch nur auf ganz kleine Flächen, gewissermassen als Glanzlicht zu empfehlen.
Doch gehen wir nun zu den einzelnen Bauten über, wobei wir zu-

 

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