Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 146 148

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S. 67 sagten. Mochten nun daran die unglücklichen Zeiten Schuld sein oder lediglich das Schwanken, welches jeder Stilveränderung vorausgeht man kann kaum mit Gewissheit von den Merkmalen sprechen, woran man die Wohnhäuser jener Periode erkennen kann. Wir gaben uns bei unserer Anwesenheit in Venedig die grösste Mühe, von den wenigen öffentlichen Gebäuden, deren Erbauungszeit wir nach Geschichtlichen Nachrichten als in jene Periode d. i. in das zwölfte Jahrhundert fallend kannten, Parallelen auf die Wohnhäuser zu ziehen, um einige zu finden, von denen wir mit vollständiger Sicherheit behaupten könnten, dass sie ebenfalls aus dieser Zeit stammten. Von den hier aufzuzählenden glauben wir es, weil wenigstens einige der Gestaltungen, die wir an jenen beglaubigten Gebäuden fanden, an denselben wiederkehren. Dahin gehören die durchbrochenen Capitäle, die aus geometrischen Durchsteckungen gerader und gebrochener Linien bestehenden Ornamente, die Scheiben neben den Scheiteln der Fensterbogen, die noch nicht verbrochenen Ecken an den Fensterpfeilern, das Fehlen von Laubwerk an den Capitälen dieser pilasterartig gebildeten Pfeiler, und die Gestalt der Fensterbogen. Diese Fensterbogen nämlich bilden den Uebergang von den überhobenen Rundbogen mit Schneppe zu dem eigentlichen Eselsrücken. Der Schwung der Wölblinie wird allmälig elastischer. Nasen sind noch selten, doch kommen sie hier und da vor. Die Capitälblätter haben noch immer etwas Schilfartiges und die Bogen tragen oben auf ihrem Scheitel in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch keine Blume. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kommen zwar diese Blumen allmälig vor, aber noch sitzt über und zwischen den Fenstern kein Maasswerk. Die interessantesten unter den wenigen Beispielen, an denen diese in der natürlichen Aufeinanderfolge begründeten Regeln zutreffen, dürften folgende sein.
Ein Pallazzo Priuli, jetzt Zorzi, mit der Front auf dem Rio gleiches Namens zwischen S. Zaccaria und S. Maria formosa gelegen. Im Erdgesehoss hat er zwei Thore, wovon das eine zur Einfahrt für die Gondel bestimmt ist; diese Thore sind in stumpfem Spitzbogen geschlossen. Die Fenster des Erdgeschosses sind bei einer Modernisirung in scheitrechte umgewandelt worden; das Hauptgeschoss hat einen Portego von fünf Oeffnungen mit ziemlich stark geschneppten Rundbogen, der aber doch noch nicht ganz als Eselsrücken bezeichnet werden kann; zwischen den Bogen sitzen Scheiben von buntem Marmor mit Bronzeknöpfen für die Marquisen.
Der ganze Portego ist durch ein schmales Doppelzahnschnittreifchen im Viereck umzogen, welches hoch über den Scheiteln auch noch über den Scheiben sich herüberzieht und neben den Kämpfer-

 

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