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EINLEITUNG
Geographische Uebersicht der Localitäten.
An der Kunstgeschichte finden wir häufig die Erscheinung, dass erobernde Völker den Kunstzustand ihrer Besiegten sich zu eigen machten und entweder ihrem Charakter gemäss umwandelten, oder sich selbst darnach modelten und so den Fortgang seiner Entwicklung nicht störten,
Aber dass einige Flüchtlinge, auf eine Sandbank geworfen, daselbst nicht nur ohne eigentlichen Grund und Boden einen Staat bilden, sondern dass sich an einem Gestade, wo weder Vegetation, noch trinkbares Wasser, noch Material und Raum zum Bauen vorhanden ist, eine eigenthümliche Kunstgeschichte gestaltet, indem jeder Stil, jede Bauweise, die sich in dem Laufe der Zeiten in den Reichen entwickelt, mit denen dieser Inselstaat in Berührung kommt, hier eine besondere Richtung, einen ganz eigentümlichen Charakter annimmt, so dass diese Richtung, namentlich im Mittelalter, als ganz besondrer Stil sich isolirt; diess ist ohne Zweifel eine merkwürdige, ziemlich einzeln dastehende Erscheinung, welche unser Interesse weckt, zu erforschen, wie es so hat kommen können, welche Elemente es waren, aus denen sich die gewaltige Kraft und Originalität entwickelte, mit der die venetianische Kunst alles Brauchbare aus andern Kunstrichtungen an sich zog, alles